Entscheidungsstichwort (Thema)
Anfechtung der Annahme der Erbschaft wegen Beschränkung durch eine angeordnete Nacherbfolge
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Erbschaft kann auch bereits vor Beginn der besonderen Ausschlagungsfrist des § 2306 Abs. 1 S. 2 BGB angenommen werden. In einem solchen Fall kann nur noch die Annahme angefochten werden.
2. Die Beschränkung des Erbteils mit einer Nacherbfolge begründet eine verkehrswesentliche Eigenschaft i.S.d. § 119 Abs. 2 BGB.
3. Ein Miterbe erlangt nicht bereits dadurch Kenntnis von der Beschränkung durch eine Nacherbfolge, dass das AG in einem Verfahren auf Erzielung eines Erbscheins in der Form eines Hinweises seine vorläufige Auffassung zur Auslegung eines privatschriftlichen Testaments zu erkennen gibt, dass eine Nacherbfolge angeordnet ist.
Verfahrensgang
LG Hagen (Beschluss vom 12.12.2003; Aktenzeichen 3 T 323/03) |
AG Meinerzhagen (Aktenzeichen 2 VI 75/02) |
Tenor
Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Beteiligte zu 1) hat die dem Beteiligten zu 2) im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Der Gegenstandswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 35.000 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Die Beteiligte zu 1) ist die überlebende Ehefrau des Erblassers, die Beteiligten zu 2) bis 5) sind die aus der Ehe hervorgegangenen Kinder.
Die Ehegatten errichteten am 17.9.1999 ein privatschriftliches gemeinschaftliches Testament, in dem sie sich gegenseitig zu 1/2 und die Beteiligten zu 2) bis 5) für den Rest des Nachlasses zu gleichen Teilen als Erben beriefen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Testaments wird auf die Wiedergabe in der landgerichtlichen Entscheidung Bezug genommen. Zwischenzeitlich besteht zwischen den Beteiligten Einigkeit darüber, dass für die Erbteile der Beteiligten zu 2) bis 5) Nacherbfolge durch deren leibliche Abkömmlinge sowie für den Erbteil des Beteiligten zu 2) eine weiter modifizierte Nacherbfolge angeordnet ist. Streitig ist zwischen den Beteiligten lediglich der Zeitpunkt, zu dem Gewissheit darüber eingetreten ist, dass das Testament in diesem Sinne auszulegen ist.
Die Beteiligte zu 1) hat in notarieller Urkunde vom 20.6.2002 (UR-Nr. ... Notar L. in M.) die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins beantragt, der sie zu 1/2 und die Beteiligten zu 2) bis 5) zu je 1/8 als Erben ausweisen soll, und zwar ohne Berücksichtigung einer Nacherbfolge. Dem Antrag beigefügt sind inhaltlich übereinstimmende Erklärungen der Beteiligten zu 2) bis 5), in denen sie der Erteilung eines solchen Erbscheins ausdrücklich zustimmen. Der Richter des AG hat mit Verfügungen vom 11.7. und 31.7.2002 Bedenken gegen den Erbscheinsantrag unter dem Gesichtspunkt geäußert, die Formulierungen in dem Ehegattentestament sprächen dafür, dass für die Erbteile der Beteiligten zu 2) bis 5) eine Nacherbfolge angeordnet sei. Im Termin vom 14.11.2002 hat das AG die erschienenen Beteiligten zu 1) bis 4) persönlich angehört.
Der Beteiligte zu 2) hat in einer am 20.11.2002 bei dem Nachlassgericht eingegangen notariell beglaubigten Erklärung vom Vortag (UR-Nr. ... Notar L. in M.) die Erbschaft ausgeschlagen und gleichzeitig vorsorglich die Annahme der Erbschaft durch Versäumung der Ausschlagungsfrist angefochten. Zur Begründung hat er geltend gemacht, er habe sich erst durch die Ausführungen des Richters im Anhörungstermin vom 14.11.2002 davon überzeugt, dass für seinen Erbteil entgegen seiner ursprünglichen Annahme Nacherbfolge angeordnet sei. Im Hinblick auf die Kenntnisnahme von dieser Beschwerung schlage er nunmehr innerhalb der Anfechtungsfrist des § 2306 Abs. 1 S. 2 BGB die Erbschaft aus, um seinen Pflichtteil verlangen zu können.
Die Beteiligte zu 1) hat mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 22.11.2002 ihren Erbscheinsantrag dahin abgeändert, dass für die Erbteile der Beteiligten zu 2) bis 5) eine Nacherbfolge nach näherer Maßgabe der Darstellung angeordnet ist. Die Ausschlagung des Beteiligten zu 2) hat die Beteiligte zu 1) für unwirksam gehalten, weil er die Ausschlagungsfrist versäumt habe.
Das AG hat durch Beschluss vom 28.4.2003 einen Vorbescheid erlassen, durch den es die Erteilung eines Erbscheins mit den im Antrag der Beteiligten zu 1) genannten Quoten, jedoch unter Berücksichtigung einer Nacherbfolge nach näherer Maßgabe der Darstellung unter der Voraussetzung angekündigt hat, dass ein entsprechender Antrag gestellt wird.
Gegen diesen Beschluss hat der Beteiligte zu 2) mit Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 16.5.2003 Beschwerde eingelegt. Das LG hat mit den Beteiligten am 10.12.2003 mündlich verhandelt. Durch Beschluss vom 12.12.2003 hat das LG den amtsgerichtlichen Vorbescheid aufgehoben.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1), die sie mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 21.1.2004 bei dem LG mit dem Ziel der Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Vorbescheids eingelegt hat.
Der Beteiligte zu 2) beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.
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