Leitsatz (amtlich)

Unfall durch Bewusstseinstörung kann nach den Umständen anzunehmen sein, wenn ein Fußgänger mit einer BAK ca. 95 min später von 1,81 o/oo sich nachts entweder zweimal oder längere Zeit nicht auf dem Geh-/Radweg, sondern auf der Landstraße befindet und dort von einem Fahrzeug erfasst wird.

 

Tenor

Die Berufung ist nach dem Hinweisbeschluss zurückgenommen worden.

Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

Es wird Gelegenheit gegeben, binnen drei Wochen Stellung zu nehmen.

 

Gründe

Die Berufung der Klägerin hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung und es erfordert auch nicht die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung oder ein sonstiger Grund eine Entscheidung auf Grund mündlicher Verhandlung des Berufungsgerichts.

I. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung der Todesfallsumme aus dem Unfallversicherungsvertrag scheitert daran, dass der Unfall auf einer Bewusstseinsstörung des versicherten Ehemanns der Klägerin beruhte.

Gemäß Ziffer 5.1.1 besteht kein Versicherungsschutz für Unfälle der versicherten Person (u.a.) durch Bewusstseinsstörungen, die etwa auf gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Alkoholkonsum beruhen.

Eine Bewusstseinsstörung liegt nach der Klausel vor, wenn die versicherte Person in ihrer Aufnahme- und Reaktionsfähigkeit so beeinträchtigt ist, dass sie den Anforderungen der konkreten Gefahrenlage nicht gewachsen ist.

Die Darlegungs- und Beweislast für eine solchen Bewusstseinsstörung und für deren Unfallursächlichkeit trägt der Versicherer (Prölss/Martin/Knappmann, VVG 29. Aufl. 2015, Ziffer 5 AUB 2010, Rn. 3; Jacob, AUB 2010, 1. Aufl. 2013, Ziffer 5.1.1, Rn. 22).

Hier beruft sich die Beklagte darauf, dass sich der Versicherte mit einer Blutalkoholkonzentration von annähernd 2 Promille nach Aussagen der polizeilich vernommenen Zeugen auf der unbeleuchteten Fahrbahn aufhielt und auf das herannahende Fahrzeug nicht reagierte, als es zum Unfall kam. Angesichts des neben der Fahrbahn verlaufenden Geh- und Radweges sei dafür kein vernünftiger Grund ersichtlich, so dass von einer alkoholbedingten Orientierungslosigkeit auszugehen sei, die zum Unfall geführt habe.

Nach ständiger Rechtsprechung spricht bei Fahrern der Beweis des ersten Anscheins für eine alkoholbedingte Bewusstseinsstörung, wenn die absolute Fahruntüchtigkeit festgestellt ist (BGH, Urteil vom 30. Oktober 1985 - IVa ZR 10/84 -, VersR 1986, 141, Rn. 8). Diese wird bei einem Kraftfahrer bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,1 Promille angenommen (BGH, Beschluss vom 28. Juni 1990 - 4 StR 297/90 -, BGHSt 37, 89-99, Rn. 10). Bei einem geringeren Alkoholisierungsgrad müssen sonstige Ausfallerscheinungen vorliegen, um eine alkoholbedingte Bewusstseinsstörung festzustellen (Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 05. April 2006 - 5 U 633/05 -, ZfSch 2006, 338, Rn. 24).

Auf Fußgänger lässt sich der für Kraftfahrer geltende Wert für das Vorliegen absoluter Fahruntüchtigkeit nicht übertragen, da der Führer eines Kfz im Verkehr ein höheres Maß an Aufmerksamkeit, Geistesgegenwart und Geschicklichkeit benötigt als ein Fußgänger, wenn er Unfälle vermeiden will (Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 05. April 2006 - 5 U 633/05 -, ZfSch 2006, 338, Rn. 25). Die absolute Verkehrsuntüchtigkeit eines Fußgängers wird deshalb erst bei erheblich höheren Blutalkoholwerten von 2 Promille und darüber angenommen (Prölss/Martin/Knappmann, VVG 29. Aufl. 2015, Ziffer 5 AUB, Rn. 14; OLG Hamm, Urteil vom 02. Oktober 2002 - 20 U 140/01 -, ZfSch 2003, 195, Rn. 48; OLG Köln, Beschluss vom 20. September 2005 - 5 W 111/05 -, VersR 2006, 265, Rn. 2: 2,67 Promille).

Liegt der BAK-Wert darunter, so lässt sich der Schluss auf eine alkoholbedingte Bewusstseinsstörung erst ziehen, wenn durch das Fehlverhalten des Verletzten belegt ist, dass dieser den Anforderungen der konkreten Gefahrensituation nicht mehr gewachsen war (OLG Celle, Urteil vom 12. März 2009 - 8 U 177/08 -, VersR 2009, 462, Rn. 46; Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 05. April 2006 - 5 U 633/05 -, ZfSch 2006, 338, Rn. 26, juris; OLG Hamm, Urteil vom 02. Oktober 2002 - 20 U 140/01 -, ZfSch 2003, 195, Rn. 51).

Nach den insoweit unangegriffenen Feststellungen des Landgerichts lag die Blutalkoholkonzentration des Versicherten zum Todeszeitpunkt um 6.15 Uhr bei 1,81 Promille. Welcher BAK-Wert sich daraus für den Unfallzeitpunkt um 4.40 Uhr rückrechnen lässt und ob dieser Wert ausreicht, um von absoluter Verkehrstüchtigkeit des versicherten Ehemanns der Klägerin auszugehen, kann hier offen bleiben.

Denn das Verhalten des Verletzten zum Unfallzeitpunkt belegt zur Überzeugung des Senats, dass er aufgrund seines Alkoholkonsums nicht mehr in der Lage war, den Anforderungen gerecht zu werden, die seine Teilnahme am Straßenverkehr in der konkreten Situation an ihn stellten.

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