Leitsatz (amtlich)
Auf vorsätzliche Trunkenheit im Verkehr kann in der Regel nicht bereits aus einer hohen Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit geschlossen werden.
Verfahrensgang
LG Hagen (Entscheidung vom 20.01.2004) |
Tenor
Die Revision wird auf Kosten des Angeklagten verworfen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Lüdenscheid hat den Angeklagten wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Die dagegen gerichtete, auf das Strafmaß beschränkte Berufung des Angeklagten hat das Landgericht durch das angefochtene Urteil verworfen. Hiergegen wendet sich nunmehr noch der Angeklagte mit seiner auf die nicht näher ausgeführte Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das Rechtsmittel mit der Maßgabe zu verwerfen, dass der Angeklagte wegen eines Vergehens der fahrlässigen Trunkenheit im Verkehr schuldig ist.
II.
Das Rechtsmittel des Angeklagten ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
1.
Entgegen der Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft tragen die tatsächlichen Feststellungen des Amtsgerichts noch die Verurteilung des Angeklagten wegen einer vorsätzlichen Trunkenheit im Verkehr nach § 316 Abs. 1 StGB. Das Landgericht konnte daher diese tatsächlichen Feststellungen zur Grundlage seiner Verwerfungsentscheidung machen. Eine Abänderung des angefochtenen Urteils im Schuldspruch in der von der Generalstaatsanwaltschaft beantragten Form kam daher, da dieser durch die Beschränkung der Berufung auf das Strafmaß in Rechtskraft erwachsen ist, nicht in Betracht.
Das Amtsgericht hat folgende tatsächliche Feststellungen getroffen.
"Der Angeklagte hatte am 07.07.2003 erheblich dem Alkohol zugesprochen, so dass er um 0:55 Uhr am 08.07.2003 bei einem Alkoholgehalt von 1,98 Promille absolut fahruntüchtig war. Trotzdem verfiel er auf den Einfall, mit dem Motorroller der Marke Piaggio (Kennzeichen XXXX) über öffentliche Straßen in Lüdenscheid, unter anderem die Bahnhofstraße zu fahren, um seinen Roller am Bahnhof abzustellen, weil er sich zuvor darüber geärgert hatte, dass mehrfach der Spiegel an seinem Roller abgebrochen worden war, nachdem er den in der Stadt geparkt hatte. Der Angeklagte wusste, dass er Alkohol getrunken hatte und dass er nicht mehr fahrfähig sein werde. Er vertraue darauf, der Polizei nicht aufzufallen, der er indes schon durch die Ausfallerscheinungen, die seine Fahrweise zeitigte - er fuhr in starken Schlangenlinien -, auffiel. Durch die Polizei wurde der Angeklagte am Weiterfahren gehindert."
Diese Feststellungen tragen noch die Verurteilung wegen einer vorsätzlichen Trunkenheit im Verkehr.
Eine vorsätzliche Tatbegehung im Sinne des § 316 Abs. 1 StGB liegt nur dann vor, wenn der Täter seine Fahrunsicherheit kennt oder mit ihr zumindest rechnet und sie billigend in Kauf nimmt, gleichwohl aber am öffentlichen Straßenverkehr teilnimmt (vgl. zuletzt Beschluss des Senats vom 5. August 2002 in 2 Ss 498/02, VD 2002, 350 = VA 20002, 186 = DAR 2002, 565 = BA 2003, 56 = NZV 2003, 47 = NPA StGB § 316, 93 = zfs 2003, 257 mit weiteren Nachweisen). Ob dieses Wissen von der Fahruntauglichkeit als innere Tatseite nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung festgestellt ist, hat der Tatrichter unter Heranziehung und Würdigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere der Täterpersönlichkeit, des Trinkverlaufs, dessen Zusammenhang mit dem Fahrtantritt sowie des Verhaltens des Täters während und nach der Tat zu entscheiden.
In dem Zusammenhang hat der Senat in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung der anderen hiesigen Strafsenate und der einhelligen übrigen obergerichtlichen Rechtsprechung bereits wiederholt entschieden, dass vorsätzliche Trunkenheit im Verkehr nicht bereits aus einer hohen Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit geschlossen werden kann (vgl. den vorgenannten Beschluss des Senats vom 5. August 2002 mit weiteren Nachweisen). Daran hält der Senat fest. Es gibt nämlich keinen Erfahrungssatz, dass derjenige, der in erheblichen Mengen Alkohol getrunken hat, sich seiner Fahrunsicherheit bewusst werde oder diese billigend in Kauf nehme (siehe auch Cramer/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, 26. Aufl., § 316 Rn. 26 mit weiteren Nachweisen). Vielmehr müssen zu einer hohen Blutalkoholkonzentration noch weitere Umstände hinzukommen, die den Schluss rechtfertigen, der Angeklagte habe seine Fahruntüchtigkeit gekannt und dennoch am öffentlichen Straßenverkehr teilgenommen.
Insoweit bilden vorliegend die vom Amtsgericht und auch vom Landgericht festgestellten fünf Vorbelastungen des Angeklagten wegen fahrlässiger Trunkenheit ein gewichtiges Indiz. Denn grundsätzlich kann aus einer früheren Verurteilung auf vorsätzliches Handeln geschlossen werden. Zwar gilt das in der Regel nur dann, wenn der Sachverhalt in einem Mindestmaß mit dem aktuell zu beurteilenden vergleichbar ist (vgl. OLG Naumburg zfs 1999, 401 f.; OLG Celle NZV 1998, 123; OLG Koblenz NZV 1993, 444 f.), wozu es der Feststellung der Höhe der damaligen Bluta...