Leitsatz (amtlich)

Eine Gerichtsstandbestimmung gem. § 36 I Nr. 6 ZPO ist abzulehnen, wenn sich zwei Gerichte für unzuständig erklärt haben, bevor eine anhängige Streitsache rechtshängig geworden ist und kein Ausnahmefall vorliegt, in dem eine Zuständigkeitsbestimmung vor der Rechtshängigkeit getroffen werden kann.

 

Normenkette

ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6

 

Verfahrensgang

AG Dortmund (Aktenzeichen 436 C 135/16)

 

Tenor

Der Senat lehnt eine Zuständigkeitsbestimmung zum gegenwärtigen Zeitpunkt ab.

Die Sache wird zur weiteren Sachbehandlung an das AG Dortmund übersandt.

 

Gründe

I. Die Klägerin hat zunächst einen Herrn N im Mahnverfahren auf Zahlung einer Hauptforderung in Höhe von 2.704,87 EUR wegen unerlaubter Nutzung eines urheberrechtlich geschützten Werks in Anspruch genommen. Im Mahnantrag ist das AG Dortmund als das Prozessgericht genannt, an das das Verfahren im Falle des Widerspruchs abgegeben wird. Nach Widerspruch gegen den ergangenen Mahnbescheid hat das Mahngericht die Sache im Juli 2015 an das AG Dortmund abgegeben.

Mit Schriftsatz vom 03.02.2016 hat die Klägerin mitgeteilt, bislang versehentlich Herrn N persönlich in Anspruch genommen zu haben, der Geschäftsführer einer e Deutsche Gesellschaft für F mbH sei. Richtigerweise werde die Klage nunmehr gegen letztere gerichtet. Die Zuständigkeit des AG Dortmund folge aus der Einbeziehung der Lizenzbedingungen der Klägerin. Hilfsweise hat sie die Verweisung an das zuständige Gericht beantragt und diesen Antrag - ausweislich eines handschriftlichen Vermerks vom 15.02.2016 - dahingehend konkretisiert, Verweisung an das AG Charlottenburg zu wünschen. Das AG Dortmund (möglicherweise die zuständige Abteilungsrichterin) hat daraufhin handschriftlich verfügt, dass der Vorgang urschriftlich mit Akten dem AG Charlottenburg zugesandt werden solle. Dieses hat die Sache nach Dortmund zurückgesandt, da keine bindende Verweisung vorliege, sondern "eine formlose Übersendung durch die Justizbeschäftigte (?)". Ferner weist es darauf hin, dass bislang keine Anhörung der Beklagtenseite stattgefunden habe und eine subjektive Klageänderung sowie eine Gerichtsstandsvereinbarung vorlägen.

Das AG Dortmund hat daraufhin vermerkt, dass trotz bestehender Sonderzuständigkeit des AG oder LG Bochum für urheberrechtliche Streitigkeiten die Abgabe an das AG Berlin-Charlottenburg beantragt worden sei. Ein förmlicher Verweisungsbeschluss sei nicht angezeigt gewesen, da der Rechtsstreit nicht rechtshängig sei.

Mit Beschluss vom 06.04.2016 hat sich das AG Berlin-Charlottenburg für unzuständig erklärt und das Verfahren dem Senat zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt. Eine bindende Verweisung gem. § 281 ZPO liege nicht vor, die Abgabe sei zudem ohne rechtliches Gehör erfolgt. Das AG habe sich nicht damit auseinandergesetzt, ob überhaupt eine Berliner Zuständigkeit bestehe. Zuständig sei das AG Dortmund aufgrund einer Gerichtsstandsvereinbarung "bzw. i.V.m. § 32 ZPO das für diesen Gerichtsbezirk zuständige AG Bochum". Das Wahlrecht nach § 35 ZPO habe die Klägerin bereits ausgeübt.

II. Der Senat lehnt eine Entscheidung zum gegenwärtigen Zeitpunkt ab, da die Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO derzeit nicht vorliegen.

Voraussetzung der Zuständigkeitsbestimmung ist, dass sich verschiedene Gerichte "rechtskräftig" für unzuständig erklärt haben. Solche Unzuständigkeitserklärungen durch klageabweisendes Prozessurteil oder Verweisungsbeschluss erfordern grundsätzlich, dass die Streitsache rechtshängig und nicht bloß anhängig ist (ständige Rechtsprechung, vgl. nur BGH, Beschl. v. 05.03.1980 - IV ARZ 8/80 - NJW 19080, 1281; Zöller/Vollkommer, 31. Auflage, 2016, § 36 ZPO Rn. 26; Musielak/Heinrich, 13. Auflage, 2016, § 36 ZPO Rn 28, jeweils m.w.N.). Das ist vorliegend nicht erkennbar. Die Akte enthält keinen Zustellungsnachweis und keinen Anhaltspunkt dafür, dass eines der beteiligten AGe eine Zustellung veranlasst hat; das AG Dortmund hat ausdrücklich vermerkt, nicht zugestellt zu haben. Ein Fall, in dem die Zuständigkeitsbestimmung ausnahmsweise schon vor Rechtshängigkeit getroffen werden kann, ist nicht ersichtlich; dies wird zum Beispiel in einem Kompetenzkonflikt zwischen Mahngerichten angenommen wird oder wenn sonst eine baldige Beilegung des Zuständigkeitsstreits nicht erwartet werden kann (vgl. zum Ganzen: Zöller/Vollkommer, a.a.O.; Musielak/Heinrich, a.a.O., jeweils mit Nachweisen aus der Rechtsprechung).

Obwohl die Klägerin nur hilfsweise für den Fall, dass sich das AG Dortmund für unzuständig halten sollte, eine Verweisung beantragt hat, hat das AG Dortmund die Sache formlos an das AG Charlottenburg abgegeben. Da dieses an diese Abgabe nicht gebunden ist und die Übernahme ablehnt, wird die Sache erneut dem AG Dortmund vorgelegt. Dieses mag die Antragsbegründung zustellen und ggf. danach und nach rechtlichem Gehör der Beklagtenseite förmlich über seine Zuständigkeit entscheiden. Das AG Charlottenburg hat in seinem Beschluss vom 06.04.2016 maßgebliche dabei zu klärende Fragen benannt.

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