Leitsatz (amtlich)
Zur Statthaftigkeit der Zuständigkeitsbestimmung gem. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nach Abgabe der Verfahren durch das Mahngericht an die Gerichte der Streitverfahren.
Normenkette
ZPO § 36
Tenor
Als zuständiges Gericht wird das LG I bestimmt.
Gründe
A. Die Klägerin nimmt die Beklagten als Gesamtschuldner aus einem abgeschlossenen Lizenzvertrag über die Überlassung einer zeitlich unbefristeten Nutzungslizenz einer Kanzleisoftware wegen behaupteter Mängel auf Schadensersatz i.H.v. 11.000 EUR nebst außergerichtlichen Kosten und Zinsen in Anspruch.
Auf Antrag der Klägerin sind gegen beide Beklagte zunächst Mahnbescheide durch das AG D - Zentrales Mahngericht - erlassen worden.
Nach Eingang des Widerspruchs der Beklagten zu 1. hat das AG D das gegen die Beklagte zu 1. gerichtete Verfahren nach Einzahlung des angeforderten Vorschusses an das LG N abgegeben, welches die Klägerin im Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids als Prozessgericht im Falle des Widerspruchs benannt hatte. Dort ist die Akte am 16.4.2012 eingegangen. Die Klägerin hat ihren Anspruch bislang nicht begründet.
Auf Antrag der Klägerin hat das AG D - Zentrales Mahngericht - gegen die Beklagte zu 2. am 27.2.2012 einen Vollstreckungsbescheid erlassen. Nach Eingang eines Einspruchs hat das AG D das gegen die Beklagte zu 2. gerichtete Verfahren am 5.3.2012 an das LG I abgegeben, welches die Klägerin im Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids als Prozessgericht im Falle des Widerspruchs benannt hatte. Dort ist die Akte am 12.3.2012 eingegangen.
Die Klägerin beabsichtigt, beide Beklagte als Streitgenossen in einem Prozess in Anspruch zu nehmen. Mit Antragsschrift vom 17.4.2012 beantragt die Klägerin daher, das LG I als das gemeinsam zuständige Gericht für die vor den LG in I und N anhängigen Verfahren zu bestimmen.
B. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung gem. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO liegen vor.
I. Das OLG Hamm ist gem. § 36 Abs. 1 ZPO als das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht im Verhältnis zu den in Betracht kommenden LG in N und I zur Entscheidung über das Gesuch um gerichtliche Bestimmung des zuständigen Gerichts berufen.
II. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner auf Schadensersatz in Anspruch genommen und sind Streitgenossen i.S.d. §§ 59 ff. ZPO. Sie weisen unterschiedliche allgemeine Gerichtsstände i.S.d. § 17 ZPO auf (N für die Beklagte zu 1. und I für die Beklagte zu 2.). Ein gemeinsamer besonderer Gerichtsstand lässt sich für den Rechtsstreit nicht zuverlässig feststellen.
C. Als zuständig wird das LG I bestimmt.
I. Dies beruht auf Gesichtspunkten der Zweckmäßigkeit und Prozesswirtschaftlichkeit (vgl. zu diesen Kriterien: Zöller/Vollkommer, ZPO, 29. Aufl., § 36 ZPO Rz. 18 m.w.N.).
Die Beklagte zu 2. hat ihren allgemeinen Gerichtsstand im Bezirk des LG I. Der Kaufvertrag wurde ferner unter Einbeziehung der Lizenzbedingungen der Beklagten zu 2. abgeschlossen, so dass die engste Verbindung zum Bezirk des LG I besteht.
II. Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagten zu 1. eine Rechtsverteidigung vor dem LG I nicht zuzumuten wäre, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
III. Einer Bestimmung des zuständigen Gerichts steht schließlich im Streitfall nicht entgegen, dass auf Veranlassung der Klägerin bereits beide Verfahren vom Mahngericht an verschiedene Prozessgerichte abgegeben wurden und mit Eingang der Akten an unterschiedlichen Gerichten Rechtshängigkeit eingetreten ist.
1. Die Bestimmung eines gemeinsamen Gerichtsstands nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO kommt über den Wortlaut der Vorschrift ("verklagt werden sollen") grundsätzlich auch dann in Betracht, wenn gegen alle Beklagten bereits eine Klage anhängig ist, weil die Bestimmung des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO auf Zweckmäßigkeitserwägungen beruht und es im Interesse der Parteien liegen kann, bei einer von vornherein gegen mehrere Beklagte (mit verschiedenen allgemeinen Gerichtsständen) gerichteten Klage auch noch nach Klageerhebung ein für alle Beklagten zuständiges Gericht zu bestimmen, um die Entscheidung des Rechtsstreits durch ein einziges Gericht herbeizuführen (BGH NJW 1978, 321; NJW-RR 2011, 929, Tz. 7).
Zulässig ist die Bestimmung eines gemeinsamen Gerichtsstands im Interesse der Prozessökonomie deshalb, wenn der Antragsteller bereits mehrere Beklagte vor einem Gericht verklagt hat und einzelne davon die Unzuständigkeit dieses Gerichts geltend gemacht haben (BGH NJW 1984, 739).
Auch bei vorheriger gemeinsamer Inanspruchnahme der Beklagten im Wege des Mahnverfahrens schließt die Abgabe der Verfahren durch das Mahngericht an die für das Streitverfahren zuständigen Gerichte trotz Begründung der Rechtshängigkeit dort nicht von vornherein eine Gerichtsstandsbestimmung aus. Der BGH hat daher eine Bestimmung der Zuständigkeit gem. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO auch in einem Fall vorgenommen, in dem ein gegen mehrere Antragsgegner eingeleitetes Mahnverfahren nach Widerspruch zunächst an verschiedene Gerichte abgegeben worden war (BGH NJW 1978, 1982; zustimmend Musielak/Voit, ZPO, 9. Aufl., § 696 R...