Leitsatz (amtlich)
1.
Wenn ein Zeuge den ihm vorher unbekannten Täter anlässlich der Tat nur kurze Zeit beobachten konnte, darf sich der Tatrichter nicht ohne weiteres auf die subjektive Gewissheit des Zeugen beim ersten Wiedererkennen verlassen, sondern muss anhand objektiver Kriterien nachprüfen, welche Beweisqualität dieses Wiedererkennen hat.
2.
Eine Verurteilung wegen alkoholbedingter Straßenverkehrsgefährdung bedarf nicht der Ermittlung eines konkreten Blutalkoholwertes für die Tatzeit, falls die sonstigen Umstände der Unfallfahrt zweifelsfrei ergeben, dass der Angeklagte auf Grund alkoholischer Enthemmung und Leistungsminderung nicht in der Lage gewesen ist, sein Fahrzeug sicher zu führen. Die Fahruntüchtigkeit darf nicht vermutet werden, sondern wird erst durch alkoholtypische Ausfallerscheinungen indiziert (sog. relative Fahruntüchtigkeit). Für die Annahme alkoholbedingter Ausfallerscheinungen bedarf es einer Gesamtwürdigung sämtlicher Tatumstände sowie der Darlegungen zu der Kausalität zwischen der festgestellten Alkoholisierung und dem Unfallereignis.
Verfahrensgang
AG Kamen (Entscheidung vom 21.07.2004) |
Tenor
Das angefochtene Urteil wird mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Kamen zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Kamen hat den Angeklagten am 21.07.2004 wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs und wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort zu einer Gesamtgeldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 50 EUR verurteilt. Zudem hat es dem Angeklagten die Fahrerlaubnis entzogen und eine Sperrfrist von einem Jahr und zwei Monaten verhängt.
Gegen dieses Urteil hatte der Angeklagte zunächst fristgerecht Berufung eingelegt; innerhalb der Revisionsbegründungsfrist ist er sodann vom Rechtsmittel der Berufung zum Rechtsmittel der (Sprung-)Revision übergegangen
Das Amtsgericht hat zur Sache folgende Feststellungen getroffen:
"Am 18.10.2003 befuhr der Angeklagte gegen 05:00 Uhr mit dem Pkw Ford mit dem amtlichen Kennzeichen XXXXXX die Werner Straße in Bergkamen. Dabei war er aufgrund vorhergegangenen Alkoholkonsums nicht mehr fahrtüchtig. Er kam nach rechts von der Fahrbahn ab und prallte gegen den dort abgestellten Lkw der Firma T. Hierbei entstand Fremdschaden in Höhe von 899,45 EUR inklusive Mehrwertsteuer. Obwohl der Angeklagte von dem kurz danach an der Unfallstelle haltenden Zeugen T. aufgefordert wurde, die Unfallstelle nicht zu verlassen, entfernte er sich zu Fuß von der Unfallstelle."
Zur Beweiswürdigung hat das Amtsgericht ausgeführt:
"Die Feststellungen beruhen auf der Aussage der Zeugen T. und G. sowie auf dem in der Hauptverhandlung verlesenen Schadensgutachten.
Der Angeklagte hat sich in der Hauptverhandlung nicht eingelassen.
Der Zeuge T. hat den Angeklagten als den damaligen Fahrer des Unfallfahrzeuges identifiziert. Er hat bekundet, der Angeklagte habe auf ihn alkoholisiert gewirkt. Dies führe er auf die lallende Aussprache und auf das Schwanken des Angeklagten zurück. Obwohl er ihn zum Verbleiben an der Unfallstelle aufgefordert habe, habe sich der Angeklagte zu Fuß entfernt.
Aufgrund der Angaben des Zeugen und aufgrund der Tatsache, dass der Angeklagte auf gerader Strecke nach rechts von der Fahrbahn abgekommen ist und gegen einen parkenden Lkw prallte, ist das Gericht davon überzeugt, dass er zur Unfallzeit alkoholbedingt fahruntüchtig war."
Gegen dieses Urteil richtet sich die statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte sowie begründete Revision des Angeklagten, die er auf die allgemeine Sachrüge sowie eine Verfahrensrüge stützt.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das Urteil mit den dazugehörigen Feststellungen aufzuheben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Kamen zurückzuverweisen.
II.
Die zulässige Revision des Angeklagten hat in der Sache einen zumindest vorläufigen Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie zur Zurückverweisung der Sache an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Kamen.
1.)
Das angefochtene Urteil hat schon deshalb keinen Bestand, weil das Amtsgericht im Rahmen seiner Beweiswürdigung nicht in dem erforderlichen Umfang dargelegt hat, auf welcher Grundlage es zur Feststellung der Täterschaft des Angeklagten - der in der Hauptverhandlung von seinem Schweigerecht Gebrauch gemacht hat - hinsichtlich der abgeurteilten Taten gelangt ist.
Die Ausführungen des Landgerichts, mit denen es seine Überzeugung begründet hat, der Angeklagte sei mit dem Täter identisch, halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.
Das Landgericht stützt seine Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten allein auf die Aussage des Zeugen T., der den Angeklagten als Fahrer des Pkw wiedererkannt haben will. Es hat die Identifizierung des Angeklagten offensichtlich als erstes Wiedererkennen gewertet . Als rechtsfehlerhaft zu beanstanden ist, dass sich das Amtsgericht mit der subjek...