Leitsatz (amtlich)
Tatsachen, die sich im Freibeweisverfahren nicht haben bestätigen lassen, muss das Gericht grundsätzlich nicht auch noch nach § 30 Abs. 3 FamFG strengbeweislich nachgehen. Bloße Fremdeinschätzungen medizinischer Laien kommt nach der Rechtsprechung grundsätzlich kein Gewicht bei der Beurteilung der Testierfähigkeit zu. Derartige Einschätzungen von Zeugen können die fachärztliche Beurteilung des gerichtlich bestellten Sachverständigen nicht entkräften.
Normenkette
BGB § 2229 Abs. 4, § 2258; Fam FG § 29; FamFG § 30
Verfahrensgang
AG Minden (Aktenzeichen 434/22) |
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin trägt der Beschwerdeführer.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 966.164,89 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der am 00.00.1934 geborene Erblasser verstarb am 00.00.2022 im Alter von 87 Jahren in B.. Aus der geschiedenen Ehe des Erblassers sind drei Kinder, die Beteiligten zu 1) - 3) hervorgegangen. Bereits 2008 übertrug der Erblasser allen seinen Kindern verschiedenen Immobilienbesitz, ließ sich bezüglich dieser Immobilien jedoch ein Nießbrauchsrecht und eine Rückauflassungsvormerkung eintragen.
Der Erblasser verfasste am 15.02.2016 zwei handschriftliche Testamente. Zunächst erwog er dem Beteiligten zu 2) lediglich seinen Pflichtteil zukommen zu lassen. Letztlich errichtete er ein Testament mit folgendem Inhalt:
"Testament
Mein letzter Wille ist es, daß mein Nachlaß wie folgt aufgeteilt wird:
Meine fünf Enkelkinder, H. O., W. O., V. O., alle drei wohnhaft in C., sowie J. X., Q. X. u. mein Schwiegersohn Z. X., alle drei wohnhaft in B., je Euro 20.000,-/zwanzigtauschend, also insgesamt Euro 120.000,-. Meine fünf Enkelkinder können ohne Zustimmung der Eltern ab dem 25. Lebensjahr verfügen.
Für die Pflege der Grabstätte in T. wird ein Betrag von Euro 20.000,- zurück gehalten. Sollte der nicht ausreichen, so müssen meine Kinder gleichmäßig nachzahlen, wie sie auch im umgekehrten Fall gleichmäßig erstattet bekommen.
Sollten Immobilien verkauft werden, so ist dafür immer eine 2/3 Mehrheit vorliegen.
Dass danach vorhandene Vermögen verteilt sich bei Berücksichtigung der Grundstücksübertragungen und der Erbanteile der Enkelkinder wie folgt auf:
1. L. O., A.-straße 00, P. 36%
2. Y. O., K.-straße 00, C. 22%
3. D. X., N.-straße 00, B. 42%
Sollten Teilakte dieses Testament gegen gesetzliche Vorschriften verstoßen, so wird dadurch nicht das gesamte Testament ungültig. Hier hat eine Auslegung dahingehend zu erfolgen, wie es offensichtlich meinem Sinne entsprochen hätte.
Dieses Testament habe ich im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte und ohne Einfluss Dritter aufgesetzt. Sollte einer der Erben unzufrieden sein und sich von den übrigen Erben distanzieren, so handelt er nicht in meinem Sinne.
U., den 15. Februar 2016
E. O."
In einem Brief vom 01.07.2016 legte der Erblasser die Gründe für diese testamentarische Verfügung nieder. Wegen des Inhalts wird auf die Kopie des Briefes, Bl. 30 GA I, verwiesen.
Im Jahre 2017 erlitt der Erblasser in Folge eines Treppensturzes eine Hirnblutung. Im Februar des Folgejahres erkrankte er an einer Herpesenzephalitis. Er stieß sich während der Akutphase dieser Erkrankung den Kopf an einer Fensterbankkante. Nach dem sich an die Erkrankung anschließenden Klinikaufenthalt im Februar 2018 wurde der Erblasser zunächst in eine Verhinderungspflege im Pflegeheim "S." in der Nähe seiner ehemaligen Wohnung entlassen. Nachdem dem Erblasser keine Pflegestufe bewilligt worden war, kehrte er im Frühsommer in seine Wohnung zurück. Hier lebte er mit der Unterstützung einer Haushalterin wieder allein und ging weiterhin zum Essen in das Pflegeheim.
Im Juni 2018 genehmigte der Erblasser notariell zwei Grundstückskaufverträge. Am 29.03.2019 suchte der Erblasser in Begleitung des Beteiligten zu 2) seine Hausbank auf, um bestehende Geldanlagen zu besprechen.
Im April 2019 stellte die Beteiligte zu 1) einen Antrag auf Einrichtung der Betreuung.
Der Erblasser verfasste am 23.05.2019 auf einer Kopie des vorstehenden Testamentes eine weitere handschriftliche Verfügung mit folgendem Inhalt:
"Änderung
Mein letzter Wille ist, daß meine 3 Kinder mein gesamtes Vermögen zu gleichen Teilen (selber ist gestrichen) erben sollen.
U., den 23. Mai 2019
E. O."
Das Amtsgericht Höxter richtete mit Beschluss vom 19.11.2019 eine Betreuung ein. Zur Betreuerin wurde die Beteiligte zu 1) bestellt. In Vermögensangelegenheiten wurde eine Rechtsanwältin zur Gegenbetreuerin eingesetzt (Bl. 55 f. der Betreuungsakte).
Die Beteiligte zu 1) hat, gestützt auf das Testament vom 15.02.2016, am 14.04.2022 die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins beantragt. Hierzu hat sie ausgeführt, die letztwillige Verfügung vom 23.05.2019 sei unwirksam. Entweder sei der Erblasser zum Zeitpunkt der Errichtung bedroht oder getäuscht worden oder er habe diese Verfügung nicht selbst ge- und unterschrieben. Jedenfalls sei ...