Leitsatz (amtlich)
Ein Makler kann aufgrund einer Beratungspflichtverletzung haften, wenn er den Auftraggeber zu einem unvorteilhaften und überstürzten Vertragsabschluss verleitet. Das kann der Fall sein, wenn der Makler dem Auftraggeber in dem Entschluss zum Kauf einer neuen Immobilie bestärkt, die der Auftraggeber nur mit dem Verkauf einer anderen Immobilie finanzieren kann und der Makler den objektiv ungesicherten Verkauf der anderen Immobilie als problemlos realisierbar darstellt.
Dass der Käufer einer Immobilie im Verhältnis zum Verkäufer das Risiko einer der Finanzierung des Kaufpreises zu tragen hat, entlastet nicht einen den Käufer fehlerhaft beratenden Makler.
Bei schuldhafter Verletzung einer Beratungspflicht und Vorliegen eines dadurch verursachten Schadens, der im Abschluss eines Vertrages mit einem Dritten besteht, kann der Geschädigte wählen, ob er an dem Vertrag festhalten und darüber hinaus zusätzliche Vermögenseinbußen ersetzt verlangen will oder ob er den "großen" Schadensersatz unter Übertragung der Vorteile aus dem Vertrag geltend machen will.
Normenkette
BGB §§ 652, 280
Verfahrensgang
LG Detmold (Aktenzeichen 9 O 363/10) |
Tenor
Die Gewährung von Prozesskostenhilfe kann nicht wegen fehlender Erfolgsaussichten der von den Antragstellerinnen beabsichtigten Rechtsverfolgung versagt werden, soweit die Antragstellerinnen beantragen, den Antragsgegner zu verurteilen, Zug um Zug gegen die Übertragung ihrer Rechte aus dem Grundstückskaufvertrag des Notars Dr. N in C4 vom 24.7.2006 (UR-Nr. 316/2000),
1. sie von der Restkaufpreisforderung i.H.v. 430.000 EUR aus dem Grundstückskaufvertrag des Notars Dr. N in C4 vom 24.7.2006 (UR-Nr. 316/2000) freizustellen,
2. an sie 24.830,86 EUR und an jede von ihnen darüber hinaus weitere 15.705 EUR, jeweils nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit, zu zahlen,
5. an die Antragstellerin zu 2 16.596,62 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
6. die Antragstellerin zu 2 von der Zinsverpflichtung aus dem Darlehnsvertrag mit der C5 AG für die Zeit ab dem 1.1.2011 i.H.v. 2.955 EUR pro Jahr freizustellen und
7. die Antragstellerin zu 2 von der Zinsverpflichtung aus dem Darlehnsvertrag mit der C2 AG in voller Höhe freizustellen.
Der weitergehende Prozesskostenhilfeantrag der Antragstellerinnen vom 29.12.2010 bleibt zurückgewiesen.
Die Prüfung der weiteren Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe und auch die Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch hinsichtlich des mit Schriftsatz der Antragstellerinnen vom 26.5.2011 formulierten Feststellungsantrages bleiben dem LG vorbehalten.
Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.
Gründe
Die zulässige sofortige Beschwerde der Antragstellerinnen hat in der Sache - vorläufig - Erfolg.
I. Die Antragstellerinnen nehmen den Antragsgegner auf Schadensersatz in Anspruch.
Die Antragstellerin zu 1 ist Eigentümerin des Hausgrundstücks T-Straße 21 in T. Sie beabsichtigte, die Immobilie zu veräußern, und erteilte dem Antragsgegner unter dem 8.6.2006 einen Maklerauftrag (K 7), in dem die Parteien einen Verhandlungsverkaufspreis von 675.000 EUR mit einem Verhandlungsspielraum bis 625.000 EUR vermerkten.
Etwa zeitgleich interessierten sich die Antragstellerinnen für den Erwerb der Immobilie X-Weg 95a in P, die der Antragsgegner im Auftrage der Eheleute T3 als Makler vertrieb. Für den Nachweis zum Erwerb dieser Immobilie akzeptierten die Antragstellerinnen, ebenfalls unter dem 8.6.2006, eine nach einem Kaufpreis von 450.000 EUR bzw. 460.000 EUR an den Antragsgegner zu zahlende Käufercourtage (K 8).
Den Antragstellerinnen und dem Antragsgegner war seinerzeit bekannt, dass die Antragstellerinnen die Immobilie X-Weg nur nach einem (zumindest den Erwerbspreis abdeckenden) Verkauf der Immobilie T-Straße finanzieren konnten.
Mit notariellem Kaufvertrag des Notars Dr. N in C4 vom 24.7.2006 (UR-Nr. 316/2000) erwarben die Antragstellerinnen die Immobilie X-Weg von den Eheleuten T3 für einen Kaufpreis von 450.000 EUR, zahlbar i.H.v. 20.000 EUR bis zum 18.9.2006 und i.H.v. 430.000 EUR bis zum 1.5.2007. Beim Abschluss dieses Kaufvertrages war die Immobilie T-Straße noch nicht veräußert. Sie konnte in der Folgezeit auch nicht so verkauft werden, dass die Antragstellerinnen die mit dem Kaufvertrag vom 24.7.2006 eingegangenen Verpflichtungen bedienen konnten.
U.a. zur Finanzierung der ersten Kaufpreisrate von 20.000 EUR und der Kosten des Kaufvertrages vom 24.7.2006 nahm die Antragstellerin zu 2 ein Darlehn i.H.v. insgesamt 180.000 EUR bei der C5 AG auf, das mit einer Grundschuld auf dem Grundstück T-Straße abgesichert wurde. Zur späteren Tilgung des Darlehns schloss sie darüber hinaus einen Bausparvertrag bei der C AG ab.
Nachdem die Antragstellerinnen die zweite Kaufpreisrate nicht bezahlen konnten, führten sie gegen die Verkäufer einen Rechtsstreit (6 O 672/09 LG Bielefeld), um eine zwangsweise Beitreibung der Rate durch die Verkäufer, u.a. durch...