Leitsatz (amtlich)
Die Zustellung des Bußgeldbescheides an den bevollmächtigten Rechtsanwalt, dem nur eine außergerichtliche Vollmacht ohne Zustellungsvollmacht erteilt ist, unterbricht nicht die Verfolgungsverjährung.
Verfahrensgang
AG Iserlohn (Entscheidung vom 07.07.2003) |
Tenor
Das angefochtene Urteil wird auf Kosten der Landeskasse, die auch die der Betroffenen entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen hat, aufgehoben.
Das Verfahren wird eingestellt.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Iserlohn hat die Betroffene durch das angefochtene Urteil wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße in Höhe von 100,00 EUR verurteilt sowie ein Fahrverbot von einem Monat unter Beachtung der Vorschrift des § 25 Abs. 2 a StVG verhängt.
Der Betroffenen wird zur Last gelegt, am 14. November 2002 gegen 11.46 Uhr in Iserlohn auf der Straße Im Wiesengrund in Fahrtrichtung Westfalenstraße mit dem von ihr geführten Pkw die dort durch entsprechendes Verkehrszeichen festgesetzte Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h um 33 km/h überschritten zu haben. Die Geschwindigkeit des Fahrzeugs der Betroffenen wurde mittels eines Radargerätes der Marke Multanova VR 6 F gemessen.
Die Stadt Iserlohn hat gegen die Betroffene unter dem 06. Dezember 2002 durch Übersendung eines Anhörungsbogens ein Bußgeldverfahren eingeleitet.
Der Bußgeldbescheid vom 05. März 2003 ist sodann nicht der Betroffenen selbst, sondern ihren Rechtanwälten zugestellt worden, denen die Betroffene folgende Vollmacht erteilt hatte:
"Außergerichtliche Vollmacht (es folgen die Namen der Rechtsanwälte)
wird hiermit Vollmacht zu meiner außergerichtlichen Vertretung erteilt in der Angelegenheit Bußgeldsache M. S.
gegen
wegen Ereignis vom 14.11.2002
und etwaige weitere Beteiligte. Die Vollmacht ermächtigt insbesondere
1.
zu außergerichtlichen Verhandlungen aller Art, zum Abschluss eines Vergleichs zur Vermeidung eines Rechtsstreits;
2.
in Unfallsachen zur Geltendmachung von Ansprüchen gegen Schädiger, Fahrzeughalter und deren Versicherer;
3.
zur Entgegennahme von Zahlungen, Wertsachen und Urkunden;
4.
zur Stellung von Strafanträgen sowie zu deren Rücknahme, zur Vertretung als Nebenkläger in einem Strafverfahren;
5.
zur Akteneinsicht;
6.
zur Begründung und Aufhebung von Vertragsverhältnissen, zur Abgabe und Entgegennahme von einseitigen Willenserklärungen (z.B. Kündigungen) in Zusammenhang mit der oben unter "wegen . " genannten Angelegenheit.
Schwelm, den 18.12.2002 M S.-L."
Nach rechtzeitiger Einspruchseinlegung hat das Amtsgericht Iserlohn die Betroffene durch das angefochtene Urteil verurteilt.
Hiergegen wendet sich die Betroffene mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Rechtsbeschwerde, mit der sie die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt,
das Verfahren unter Aufhebung des angefochtenen Urteils gemäß § 206 a StPO einzustellen.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
Die von Amts wegen vorzunehmende Prüfung der Prozessvoraussetzungen führt dazu, dass das Verfahren wegen eines Verfahrenshindernisses gemäß § 46 Abs. 1 OWiG, § 206 a StPO einzustellen ist. Wie die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme vom 14. November 2003 zutreffend ausgeführt hat, kann die der Betroffenen zur Last gelegte Ordnungswidrigkeit wegen zwischenzeitlich eingetretener Verfolgungsverjährung nicht mehr geahndet werden.
Die Verjährungsfrist beträgt bei einem Verstoß gegen die StVO nach §§ 24, 26 Abs. 3 StVG grundsätzlich drei Monate, beginnend mit dem Vorfallstag, es sei denn, der Lauf der Verjährungsfrist ist durch eine der in § 33 OWiG genannten Maßnahmen unterbrochen worden. Vorliegend ist die dreimonatige Verjährungsfrist zwar gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 1 OWiG durch den der Betroffenen übersandten Anhörungsbogen vom 06. Dezember 2002 unterbrochen worden; da eine weitere Unterbrechung der Verjährungsfrist aber nicht stattgefunden hat, endete diese am 06. März 2003. Der weitere Lauf der Verjährungsfrist ist in der Folgezeit auch nicht gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 9 OWiG durch den Erlass des Bußgeldbescheides unterbrochen worden, denn dieser ist nicht innerhalb von zwei Wochen nach Erlass wirksam zugestellt worden.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat hierzu in ihrer Stellungnahme vom 14. November 2003 Folgendes ausgeführt:
"Die von der Verwaltungsbehörde am 06.03.2003 (Bl. 19 d.A.) bewirkte Zustellung an die Rechtsanwälte der Betroffenen erweist sich als unwirksam. Gemäß § 51 Abs. 3 OWiG gilt der gewählte Verteidiger, dessen Vollmacht sich bei den Akten befindet, als ermächtigt, Zustellungen in Empfang zu nehmen. Bei der von dem Rechtsanwalt der Betroffenen zu den Akten gereichten Vollmacht handelt es sich jedoch ausdrücklich nicht um eine Verteidigervollmacht, sondern um eine außergerichtliche Vollmacht, die weder zur Entgegennahme von Zustellungen noch zur Vertretung im Ordnungswidrigkeitenverfahren ermächtigt. Zwar ist die Vollmacht nicht an eine besondere Form gebunden, sie muss jedoch eindeutig s...