Leitsatz (amtlich)
Wiederholte, über mehrere Monate andauernde Verstöße gegen ein gemäß dem Gewaltschutzgesetz verhängtes Kontaktverbot können insgesamt 720 Tage Ordnungshaft rechtfertigen.
Eine sog. natürliche Handlungseinheit kann nur für die im Verlauf eines Tages erfolgten Kontaktaufnahmen angenommen werden. Wenn an verschiedenen Tagen getätigte Telefonanrufe als eine Handlungseinheit angesehen werden, benachteiligt dies den Unterlassungspflichtigen nicht.
Normenkette
FamFG §§ 95-96; ZPO §§ 793, 890
Verfahrensgang
AG Bielefeld (Beschluss vom 16.01.2013; Aktenzeichen 34 F 1401/12) |
Tenor
Die Beschwerde des Antragsgegners vom 1.2.2013 gegen den Beschluss des AG Bielefeld vom 16.1.2013 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Antragsgegner zu tragen.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Beteiligten sind und waren in keiner Beziehung. Gleichwohl hat der Antragsgegner der Antragstellerin per Mail mitgeteilt, sie gehöre ihm und versucht seit dem 26.5.2012 permanent, mit ihr telefonisch oder per SMS Kontakt aufzunehmen. Darunter waren auch solche bedrohlichen Inhalts ("Der Tod bleibt immer da, wo der Tod ist. Mal schauen, wie du das interpretierst.") Er ist auch in der Nähe ihrer Arbeitsstelle und ihrer Wohnung erschienen. Da sie dadurch vollkommen verängstigt und psychisch angeschlagen war, hat sie am 4.6.2012 eine einstweilige Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz beantragt, die am 6.6.2012 ohne mündliche Verhandlung erlassen worden ist. Dem Antragsgegner ist unter Androhung von Ordnungsgeld und Ordnungshaft u.a. verboten worden, sich der Wohnung oder der Arbeitsstelle der Antragsgegnerin auf mehr als 20 m zu nähern oder sonst mit ihr - auch unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln - Verbindung aufzunehmen. Der Beschluss ist ihm am 12.6.2012 von Amts wegen, am 13.6.2012 im Parteibetrieb zugestellt worden.
Er hat seine Aktivitäten der Kontaktaufnahme nach der Zustellung des Beschlusses in einem Maße gesteigert, dass die Polizei Bielefeld in einer Gefahrenanalyse vom 30.6.2013 eine unmittelbare Lebensgefahr für die Antragstellerin nicht mehr ausschließen wollte. Auf Antrag der Antragstellerin vom 22.8.2012, der dem Antragsgegner am 29.8.2012 zugestellt worden ist, hat das AG daraufhin durch Beschluss vom 7.9.2012 Ordnungshaft von 90 Tagen festgesetzt, die ab dem 19.11.2012 vollstreckt worden ist.
Im vorliegenden Verfahren geht es um die Festsetzung weiterer Ordnungshaft auf Grund von weiteren Verstößen gegen die Verbotsverfügung, die die Antragstellerin in ihren Schreiben vom 30.8.2012 (Bl. 91), 14.9.2012 (Bl. 97) und 6.12.2012 (Bl. 165) mitgeteilt hat. Der Antragsgegner hatte Gelegenheit zur Stellungnahme, hat sich aber nicht geäußert.
Das AG hat durch Beschluss vom 16.1.2013 die mitgeteilten Verstöße (Anrufe und E-Mails) in Blöcken zusammengefasst und wie folgt mit Ordnungshaft sanktioniert:
- Verstöße vom 27.08. bis zum 11.9.2012 140 Tage
- Verstöße vom 17.09. bis zum 15.10.2012 150 Tage
- Verstöße vom 16.10. bis zum 12.11.2012 160 Tage
- drei Anrufe aus der Haft am 28.11.2012 180 Tage
Insgesamt 630 Tage
Zusammen mit den durch Beschluss vom 7.9.2012 verhängten 90 Tagen Haft summieren sich die verhängten Ordnungsmittel nun auf 720 Tage, das entspricht 1 Jahr und 355 Tagen.
Gegen den Beschluss vom 16.1.2013 wendet sich der Antragsgegner mit der Beschwerde vom 1.2.2013, in der er eine Begründung "in den nächsten Tagen" angekündigt hat. Nach Setzung einer Frist zur Einreichung der Begründung bis zum 22.2.2013 hat er um Verlängerung der Frist gebeten, weil er zur Fertigung der Begründung die Hilfe seines Bruders in Anspruch nehmen wolle.
II. Die Beschwerde ist gemäß den §§ 95 Abs. 1 Ziff. 4, 96 FamFG, 793 ZPO zulässig, bleibt aber ohne Erfolg.
1. Dem Vortrag der Antragstellerin, der Antragsgegner habe sie auch nach den im Beschluss vom 7.9.2012 abgehandelten Verstößen gegen das Kontaktverbot weiterhin in massiver Weise mit Fernkommunikationsmitteln belästigt und geängstigt, ist dieser nicht entgegengetreten. Das AG hat diese Darstellung daher zu Recht als unstreitig zugrunde gelegt.
Auch mit der Beschwerde hat der Antragsgegner zu den dargelegten Taten keine Stellung genommen. Seinem Antrag auf Fristverlängerung für die Begründung der Beschwerde war nicht stattzugeben, denn er hatte bereits genug Zeit für eine Gegendarstellung. Weshalb er dazu die Hilfe seines Bruders brauche und was diesen gehindert haben könnte, diese Hilfe früher zu gewähren, ist nicht nachvollziehbar vorgetragen.
2. Grundlage für die Sanktionierung der vorgetragenen Verstöße sind die §§ 95 Abs. 1 Ziff. 4 FamFG, 890 ZPO.
Gemäß § 890 Abs. 1 ZPO ist gegen den Schuldner einer Unterlassungsverpflichtung wegen einer jeden Zuwiderhandlung Ordnungsgeld oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten festzusetzen.
a) Grundsätzlich ist jeder einzelne Telefonanruf und jede E-Mail eine neu zu ahndende Zuwiderhandlung. Allerdings können mehrere - auch fahrlässige - Verhaltensweisen zu einer natürlichen Handlu...