Entscheidungsstichwort (Thema)
Notwendige Feststellungen im Ordnungsgeldverfahren nach § 890 ZPO
Leitsatz (amtlich)
1. Voraussetzung für die Verhängung eines Ordnungsgeldes i.S.v. § 890 ZPO ist wegen des repressiven Charakters der Vollbeweis eines schuldhaften Verstoßes gegen die Schutzanordnung.
2. Sind mehrere Verhaltensweisen zu einer natürlichen Handlungseinheit zusammenzufassen, weil sie aufgrund ihres räumlich-zeitlichen Zusammenhangs so eng miteinander verbunden sind, dass sie bei natürlicher Betrachtungsweise als einheitliches zusammengehörendes Tun erscheinen, ist dafür nur eine Sanktion zu verhängen. Scheidet eine natürliche Handlungseinheit bei Feststellung eines mehrfachen Verstoßes in einem Zeitraum von rund zwei Monaten aus, ist nicht nur eine einheitliche Sanktion zu verhängen.
Normenkette
ZPO § 890; FamFG § 95
Verfahrensgang
AG E. (Beschluss vom 04.11.2013; Aktenzeichen 8 F 302/13) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners vom 20.11.2013 wird der Beschluss des AG - Familiengerichts - E. vom 4.11.2013 - 8 F 302/13 - aufgehoben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens an das AG - Familiengericht - E. zurückverwiesen.
Gründe
Die nach § 87 Abs. 4 FamFG i.V.m. §§ 567 ff. ZPO zulässige sofortige Beschwerde des Antragsgegners hat vorläufigen Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Zurückverweisung der Sache an das Familiengericht zur erneuten Behandlung und Entscheidung.
1. Der angefochtene Beschluss kann keinen Bestand haben, denn er verletzt den Antragsgegner in seinem grundrechtlich verbrieften Anspruch auf rechtliches Gehör.
Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (vgl. BVerfG FamRZ 1992, 782). Dieses grundrechtsgleiche Recht ist verletzt, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht seiner Pflicht zur Kenntnisnahme und Erwägung von Beteiligtenvorbringen nicht nachgekommen ist (vgl. OLG Saarbrücken, FamFR 2011, 471 Tz. 3). Diese Grundsätze gelten auch im Abhilfeverfahren (§ 572 ZPO), in dem das Gericht darüber zu entscheiden hat, ob es die Beschwerde für begründet hält und ihr abhilft oder sie dem Beschwerdegericht vorlegt; denn es besteht die Amtspflicht, den Inhalt der Beschwerdeschrift daraufhin zu überprüfen, ob die angefochtene Entscheidung ohne Vorlage an das Beschwerdegericht zu ändern ist (vgl. OLG Schleswig FamRZ 2011, 1971 Tz. 31; OLG Saarbrücken, a.a.O.). Hilft das erstinstanzliche Gericht der Beschwerde nicht ab, so ist diese Entscheidung grundsätzlich zu begründen. Das Gericht hat die Beschwerdebegründung im Einzelnen zu prüfen und darzulegen, dass und aus welchen Gründen das Beschwerdevorbringen eine Abänderung der angegriffenen Entscheidung nicht rechtfertigt (vgl. OLG Schleswig, a.a.O.). Zweck des Abhilfeverfahrens ist es, Beschwerden auf einem möglichst einfachen Weg zu erledigen (vgl. OLG Jena FamRZ 2010, 1692 f.). Diesem Zweck wird nicht genügt, wenn ohne oder nur mit formelhafter Begründung ein Beschwerdevorbringen unberücksichtigt bleibt; erst Recht wenn - wie vorliegend - eine Entscheidung über die Nichtabhilfe gänzlich unterbleibt. Dies stellt einen erheblichen Verfahrensmangel dar, der die Aufhebung durch das Beschwerdegericht und die Zurückverweisung an das Gericht des ersten Rechtszugs gebietet (vgl. OLG Schleswig, a.a.O., Tz. 34).
2. Auch in der Sache kann der angefochtene Beschluss keinen Bestand haben.
a.) Die Antragstellerin hat den vollen Beweis für die behaupteten Verstöße des Antragsgegners gegen die mit Beschluss des Familiengerichts vom 11.6.2013 ausgesprochenen Gewaltschutzanordnungen zu führen. Nach ganz herrschender Ansicht, die der Senat teilt, genügen im Vollstreckungsverfahren, das sich vorliegend nach § 95 Abs. 1 Nr. 4 FamFG i.V.m. §§ 890 f. ZPO richtet, eine Glaubhaftmachung der Zuwiderhandlung gegen eine Unterlassungsverpflichtung auch dann nicht, wenn das Erkenntnisverfahren als einstweiliger Rechtsschutz durchgeführt worden ist (vgl. OLG Hamm FPR 2011, 232; OLG Bremen FamRZ 2007, 1033; Hammer in: Prütting/Helms, FamFG, 3. Aufl., § 95 FamFG Rz. 15b; Stöber in Zöller, ZPO, 30. Aufl., § 890 ZPO Rz. 13; Breidenstein in: jurisPK/BGB, 6. Aufl., § 1 GewSchG Rz. 63).
Soweit das Gericht eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung trifft, kann Gegenstand der Entscheidung lediglich der Akteninhalt sein. Eines Beweises bedürfen dann offenkundige oder unstreitige Tatsachen nicht. Aus dem angefochtenen Beschluss - auf den Bezug genommen wird - ergibt sich für den Senat nicht mit hinreichender Deutlichkeit, auf welche offenkundigen oder unstreitigen Tatsachen das Familiengericht seine Überzeugung vom Vorliegen der Verstöße gegen die Gewaltschutzanordnung vom 11.6.2013 stützt. Eine konkrete Feststellung war auch nicht entbehrlich. Der Antragsgegner hat ein Zusammentreffen mit der Antragstellerin zum Teil bestritten und sich teilweise dahin erklärt, er habe die Anwesenheit der Antrags...