Leitsatz (amtlich)
1. Die Anfechtung der Erklärung zur Anfechtung einer Erbschaftsannahme ist möglich.
2. Die Anfechtungserklärung bedarf in analoger Anwendung der Form des § 1945 BGB.
Normenkette
BGB §§ 1945, 1955
Verfahrensgang
LG Essen (Beschluss vom 27.03.2008; Aktenzeichen 7 T 73/07) |
AG Essen (Aktenzeichen 151 VI 161/05) |
Tenor
Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das LG zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 3.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Erblasser war mit der Beteiligten zu 1) verheiratet. Der Beteiligte zu 2) ist der gemeinsame Sohn. Der Erblasser verstarb am 13.3. oder 14.3.2005 in F, ohne eine letztwillige Verfügung hinterlassen zu haben.
Die Beteiligten zu 1) und 2) beantragten zur Niederschrift der Rechtspflegerin des AG vom 27.5.2005 die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins, der sie zu je zur Hälfte als gesetzliche Erben des Erblassers ausweist. Einen entsprechenden Erbschein erteilte das AG den Beteiligten am 1.6.2005.
Die Beteiligten zu 1) und 2) haben zur Niederschrift der Rechtspflegerin des AG vom 11.10.2005 erklärt, dass sie die ihnen angefallene Erbschaft ausschlagen und die Annahme der Erbschaft wegen Irrtums anfechten. Zur Begründung haben sie angeführt, dass sie von einem positiven Bestand des Nachlasses ausgegangen seien, da sie bis Mitte der vergangenen Woche gehofft und geglaubt hätten, dass sich im Nachlass eine Kapitallebensversicherung befinde. Diese sei jedoch nicht vorhanden. Abschließend haben die Beteiligten zu 1) und 2) die Einziehung des Erbscheins beantragt.
Das AG hat durch Beschluss vom 3.5.2006 die Einziehung des Erbscheins abgelehnt.
Mit anwaltlichem Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 12.6.2006 haben die Beteiligten zu 1) und 2) ggü. dem AG erklärt, dass sie ihre Erbausschlagung/Anfechtung vom 11.10.2005 anfechten. Ihnen liege nunmehr eine Jahresbescheinigung der Deutschen Bank für das Jahr 2005 vor, aus der sich ergebe, dass der Erblasser zum 11.2.2005 über ein Depot mit einem Bestand von 48.554,88 EUR verfügt habe, so dass der Nachlass nicht mehr überschuldet sei. Dieses sei ihnen bislang nicht bekannt gewesen.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 8.12.2006 haben die Beteiligten zu 1) und 2) dem AG mitgeteilt, dass sich das Depot doch nicht als werthaltig herausgestellt habe, da der Erblasser mit dem dort vorhandenen Geld Verbindlichkeiten getilgt habe. Es liege also weiter eine Überschuldung des Nachlasses vor und es werde abermals die "Anfechtung des Erbes" erklärt.
Nunmehr haben die Beteiligten zu 1) und 2) mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 26.1.2007 Beschwerde gegen den Beschluss des AG vom 3.5.2006 eingelegt. Zur Begründung haben sie ergänzend vorgetragen, dass der Erblasser kurz vor seinem Tode in erhebliche finanzielle Schwierigkeiten geraten sei, aufgrund derer er sein Hausgrundstück habe veräußern müssen. Noch vor dem Tode habe es ein Treffen mit der Steuerberaterin des Erblassers, Frau S, gegeben, bei dem diese davon gesprochen habe, dass nach Bereinigung der Steuerschulden mit den Mitteln aus dem Hausverkauf insgesamt ein "Überschuss" von mindestens 20.000 EUR verbleibe, da noch eine Kapitallebensversicherung vorhanden sei. Nach dem Tode des Erblassers habe man Unterlagen über eine derartige Versicherung aber nicht gefunden. Aufgrund eines Zerwürfnisses habe man von der Steuerberaterin S keine weiteren Informationen erlangen können. Nachfragen bei den Banken hätten erst Anfang September 2005 die Gewissheit erbracht, dass diese Kapital-Lebensversicherung nicht vorhanden sei. Die Anfechtung habe erst am 11.10.2005 erfolgen können, da sie bei zwei vorangegangenen Versuchen von Mitarbeitern des Gerichts zurückgewiesen worden seien.
Mit Beschluss vom 27.3.2008 hat das LG die Beschwerde zurückgewiesen.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) und 2), die sie mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 4.7.2008 eingelegt haben.
II. Die weitere Beschwerde ist nach §§ 27, 29 FGG statthaft sowie formgerecht eingelegt. Die Beschwerdebefugnis der Beteiligten zu 1) und 2) folgt bereits daraus, dass ihre Erstbeschwerde ohne Erfolg geblieben ist.
Das Rechtsmittel ist in der Sache begründet, weil die Entscheidung des LG auf einer Verletzung des Rechts beruht (§ 27 Abs. 1 Satz 1 FGG).
In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist das LG zutreffend von einer zulässigen Erstbeschwerde ausgegangen. Das LG hat zu Recht eine Beschwerdebefugnis der Beteiligten zu 1) und 2) bejaht. Gegen die Ablehnung der Einziehung eines Erbscheins ist jeder in seinem Erbrecht Beeinträchtigte beschwerdebefugt (§ 20 Abs. 1 FGG), auch derjenige, der den ihn als Erben ausweisenden Erbschein ursprünglich beantragt hat (Keidel - Winkler, FG, 15. Aufl., § 84 Rz. 23 m.w.N.).
In der Sache hat das LG angenommen, dass der erteilte Erbschein nicht nach § 2361 Abs. 1 BGB einzuziehen ist, weil er nicht unrichtig ist.
Zutreffen...