Verfahrensgang

LG Hagen (Aktenzeichen 2 O 9/20)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Hagen vom 01.07.2020 - 2 O 9/20 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Dieses Urteil ist -ebenso wie das angefochtene Urteil- vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger bleibt vorbehalten, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Gründe

A. Der Kläger macht gegen die Beklagte Ansprüche. wegen behaupteter unzulässiger Abschalteinrichtungen an seinem Fahrzeug geltend.

Der Kläger erwarb am 30.09.2016 bei der F GmbH mit Sitz in H ein Neufahrzeug des Typs X 01 zu einem Kaufpreis in Höhe von 38.740,00 Euro (Anlage K1, BI..29-1 ff). Das Fahrzeug wurde im Februar 2017 ausgeliefert und zugelassen.

Die Beklagte ist Herstellerin des Fahrzeugs und des darin verbauten Dieselmotors der Baureihe EA288. Das Fahrzeug wurde in die Schadstoffklasse EURO 6 eingeordnet.

Die Reduzierung der Stickoxidemission erfolgt im streitgegenständlichen Fahrzeug über die sogenannte Abgasrückführung. Die Abgasrückführung ist unter anderem von der Umgebungstemperatur abhängig, wobei zwischen den Parteien streitig ist, bei welchen Umgebungstemperaturen die Abgasrückführung reduziert bzw. deaktiviert wird (sog. "Thermofenster"). Zudem kommt zusätzlich eine SCR-Anlage zum Einsatz, bei der mittels AdBlue, einer Harnstofflösung, Stickoxide in Dieselabgasen neutralisiert werden.

Das Fahrzeug ist von einem Rückruf des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) - Rückruf Nummer 23Z7 - betroffen, wobei Einzelheiten zwischen den Parteien streitig sind. Unter dem 19.11.2018 (Anlage 82, BI. 261-1) erfolgte die Freigabe des KBA für das von der Beklagten entwickelte Software-Update.

Mit Schreiben seiner späteren Prozessbevollmächtigten vom 06.02.2019 (Anlage K4, BI. 38-1 ff) forderte der Kläger die Beklagte erfolglos zur Rückzahlung des Netto-Kaufpreises in Höhe von 30.327,73 Euro bis zum 07.03.2019 auf.

Mit Schreiben aus Mai 2019 (Anlage K2, BI. 33-1) informierte die Beklagte den Kläger darüber, dass es an T6-Fahrzeug.en eines begrenzten Fertigungszeitraumes während der Regeneration des Dieselpartikelfilters zu erhöhten Stickoxidemissionen kommen kann. Aus diesem Grund sollte das Motorsteuergerät des streitgegenständlichen Fahrzeugs neu programmiert werden. Dieses Software-Update wurde am 13.06.2019 auf das streitgegenständliche Fahrzeug. aufgespielt.

Am 22.06.2020 betrug der Kilometerstand des streitgegenständlichen Fahrzeugs 30.027 km.

Der Kläger hat gemeint, der Dieselmotor des streitgegenständlichen Fahrzeugs weise unzulässige Abschalteinrichtungen im Sinne der VO (EG) 715/2007 auf. Dazu hat er behauptet, dass die Beklagte an dem streitgegenständlichen Fahrzeug unterschiedliche Manipulationen vorgenommen habe, um die Typengenehmigung zu erhalten:

- Zykluserkennung/Prüfstanderkennung

Hier sei die Betriebssoftware des Motors (als zentrales Element der Motorsteuerung) so gestaltet, dass sie anhand diverser Indizien (z. B. Fahrkurven, Entwicklung der Fahrgeschwindigkeit oder Fehlen von Lenkradbewegungen) relativ sicher erkennen könne, ob das Fahrzeug momentan einen Prüfzyklus für ein offizielles Messverfahren für Kraftstoffverbrauch und Abgaswerte durchlaufe oder ob es sich um den normalen Betrieb handele. Wer in die Testerkennung anschlage, könne sie die Abgasreinigungsanlage abschalten oder zumindest deutlich weniger wirksam machen. Dies ergebe sich aus der internen "Entscheidungsvorlage: Applikationsrichtlinien & Freigabeverfahren EA 288", vom 18. November 2015, die seitens der Beklagten vorzulegen sei.

- Manipulation des SCR-Katalysators

Aus der von der Beklagten vorzulegenden "Entscheidungsvorlage" ergebe sich ferner, dass die Motorsoftware im EA288 noch mit einer weiteren, wiederum mit der beschriebenen Zykluserkennung verknüpften Abschalteinrichtung qedatet worden sei. Diese führe dazu, dass der AdBlue-Verbrauch und damit die Wirksamkeit des SCR-Katalysators außerhalb des Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) beeinflusst und die Abgasreinigung im normalen Fahrbetrieb abgeschaltet, jedenfalls aber deutlich reduziert werde.

- Thermofenster

Der Kläger hat behauptet, das Thermofenster setze faktisch die Abgasreinigung für den Großteil des Jahres aus. Optimal funktioniere sie lediglich bei Temperaturen zwischen 20 und 30 Grad Celsius. Ab einer Außentemperatur von (unter) 17 Grad Celsius und über 30 Grad Celsius (sog. "Ausrampen") schalte sich das Thermofensters regelmäßig ganz ab. In der Folge gelangten vermehrt Stickoxide in die Umwelt. Das Thermofenster stelle insoweit eine temperaturgebundene Prüfstanderkennung dar. Zielsetzung der Beklagten sei gewesen und sei es weiterhin, dass die Abgasreinigung innerhalb der im Prüfstand vorherrschenden Temperaturen bestmöglich funktioniere. Im Normalbetrieb hingegen schalte das Thermofenster ...

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