Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachzüglervorrang nur bei Warteposition im inneren Kreuzungsbereich
Leitsatz (amtlich)
Wird ein Kraftfahrer, der beim Einfahren in eine Kreuzung die für ihn maßgebliche Ampel bei Grün passiert hat, von Linksabbiegern aufgehalten, die den Gegenverkehr abwarten, und stößt er dann nach seinem erneuten Anfahren mit einem "fliegend" einfahrenden Fahrzeug des von rechts kommenden Querverkehrs zusammen, der inzwischen Grün bekommen hat, so kommt eine hälftige Schadensteilung in Betracht, wenn ungeklärt bleibt, ob er vor dem Wiederanfahren schon den inneren Kreuzungsbereich erreicht hatte.
Normenkette
StVG §§ 7, 17; StVO § 37
Verfahrensgang
LG Bochum (Urteil vom 16.06.2004; Aktenzeichen 2 O 524/03) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 16.6.2004 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des LG Bochum wird zurückgewiesen.
Auf die Berufung des Klägers wird unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels das vorbezeichnete Urteil abgeändert.
Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger - unter Einschluss des erstinstanzlich zuerkannten Betrages - 4.469,82 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.10.2002 zu zahlen.
Im Übrigen bleibt die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Der Kläger verlangt auch in der Berufungsinstanz vollen Ersatz des Fahrzeugschadens, den er am 27.9.2002 in Bochum auf der Ampelkreuzung K./F.-straße bei einem Zusammenstoß mit dem für ihn von rechts kommenden Pkw Mitsubishi Garant des Beklagten zu 1) erlitten hat. Dieser war zu Beginn der Grünphase ohne vor der Ampel anzuhalten in die Kreuzung eingefahren, die er geradeaus überqueren wollte.
Der Kläger, welcher die Kreuzung ebenfalls geradeaus überqueren wollte, nimmt für sich den Nachzüglervorrang in Anspruch und behauptet dazu, er habe die für ihn maßgebliche Ampel bei Grün passiert und habe dann nach dem Passieren der Fluchtlinie der Gehwegkante im Kreuzungsbereich hinter zwei Linksabbiegern wegen Gegenverkehrs warten müssen.
Das LG ist nach Zeugenvernehmung und Einholung eines unfallanalytischen Gutachtens zu dem Ergebnis gelangt, dass der Kläger zwar die für ihn maßgebliche Ampel bei Grün passiert habe, dass sich aber nicht feststellen lasse, ob er dann hinter den Linksabbiegern noch im Einmündungstrichter gewartet habe oder aber erst nach dem Überqueren der Fluchtlinie der Gehwegkanten, so dass nicht bewiesen sei, dass es sich bei dem Kläger um einen "echten Nachzügler" gehandelt habe. Es hat deswegen der auf vollen Schadensersatz gerichteten Klage nur auf der Grundlage einer Haftungsquote der Beklagten von 20 % stattgegeben.
Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt. Der Kläger erstrebt vollen Ersatz seines Fahrzeugschadens, die Beklagten dagegen die vollständige Abweisung der Klage.
Der Senat hat den Kläger und den Beklagten zu 1) angehört und Beweis erhoben durch Zeugenvernehmung und ergänzende Anhörung des Sachverständigen. Wegen des Ergebnisses wird auf den darüber gefertigten Berichterstattervermerk Bezug genommen.
II. Die Berufung der Beklagten ist unbegründet; diejenige des Klägers hat teilweise Erfolg; im Übrigen ist sie ebenfalls unbegründet.
Die Beklagten sind dem Kläger gem. §§ 7, 17 StVG n.F., § 3 Nr. 1 PflVG zum Schadensersatz verpflichtet. Da jedoch die Verursachungsanteile beider Parteien gleich zu bewerten sind, muss der Kläger die Hälfte seines Schadens selbst tragen.
1. In tatsächlicher Hinsicht geht der Senat ebenso wie das LG davon aus, dass der Kläger die für ihn maßgebliche Ampel bei Grün passiert hat, dass sich aber nicht feststellen lässt, ob seine Warteposition hinter den beiden Linksabbiegern im inneren Kreuzungsbereich lag, wo er nach dem Umschalten der Ampel den dann einsetzenden Querverkehr behindert hätte, insb. den für ihn von links kommenden, oder ob er die Fluchtlinie der Gehwegkanten noch nicht passiert hatte, so dass er den dann einsetzenden Querverkehr problemlos hätte durchfahren lassen können.
Die ergänzende Beweisaufnahme hat zu keinen abweichenden Feststellungen geführt.
Insbesondere ist die Behauptung der Beklagten nicht bewiesen, dass der Kläger die für ihn maßgebliche Ampel erst nach dem Umschalten auf Rot passiert habe und bis zur Kollisionsstelle durchgefahren sei; vielmehr ist auch der Senat aufgrund der Aussage des Zeugen B. und der Ausführungen des Sachverständigen Dr. K. davon überzeugt, dass der Kläger nach dem Passieren der Ampel zunächst nicht weiterfahren konnte, weil zwei Linksabbieger vor ihm zunächst den Gegenverkehr durchfahren lassen mussten, und dass er erst weiterfahren konnte, nachdem inzwischen die Ampel umgeschaltet und der Querverkehr Grün erhalten hatte. Die Richtigkeit der Beobachtung des Zeugen B. wird gestützt durch das Ergebnis der Unfallanalyse. Denn das ungebremst kollidierende Fahrzeug des Klägers bewegte sich zu diesem Zeitpunkt mit ca. 30 km/h. Diese Geschwindigkeit wäre völlig unge...