Verfahrensgang
LG Bielefeld (Urteil vom 24.03.2021; Aktenzeichen 6 O 319/20) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Einzelrichters der 6. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld vom 24. März 2021 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des insgesamt vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt bis 22.000,00 EUR.
Gründe
I. Der Kläger verlangt Schadensersatz von der Beklagten Herstellerin des Motors eines erstmals am 10. November 2014 zum Straßenverkehr zugelassenen und von ihm am 9. März 2018 zu einem Preis von 27.500,00 EUR (GA 11, Rechnung Anlage 1, GA 134) mit einem Kilometerstand von 86.455 km von einem Händler erworbenen Audi A5 2.0 TDI Quattro Sportback, der mit einem von der Beklagten hergestellten und entwickelten Dieselmotor mit der Typbezeichnung EA288 ausgestattet ist. Bei dem Fahrzeug findet eine Abgasnachbehandlung mittels eines SCR-Katalysators statt. Der Kläger finanzierte einen Teil des Kaufpreises, wobei Darlehenszinsen in Höhe von insgesamt 1.839,94 EUR vereinbart waren. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage K 1a (GA 135 ff.) verwiesen.
Der Kläger begehrt die Erstattung des Kaufpreises unter Anrechnung einer Nutzungsentschädigung nebst Zinsen (Zug um Zug Herausgabe und Übereignung des Fahrzeuges) - in zweiter Instanz nicht mehr zuzüglich der Finanzierungskosten - und der Feststellung einer Ersatzpflicht für Schäden, die Feststellung des Annahmeverzugs und einer vorsätzlich unerlaubten Handlung sowie eine Freistellung von 2.077,74 EUR vorgerichtlichen Anwaltskosten. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Der aktuelle Kilometerstand beträgt 169.537 km (GA 963).
Der Kläger beantragt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 19.839,35 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 29. März 2020 zu zahlen. Die Verurteilung erfolgt Zug-um-Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs der Marke A. vom Typ A5 2.0 TDI Quattro Sportback mit der Fahrzeugidentifikationsnummer ... nebst zwei Fahrzeugschlüsseln, Kfz-Schein, Kfz-Brief und Serviceheft.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger Schadensersatz zu zahlen für Schäden, die aus dem Einbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung i.S.v. Art. 5 Abs. 2 EG-VO 715/2007 durch die Beklagte in das Fahrzeug der der Marke A. vom Typ A5 2.0 TDI Quattro Sportback mit der Fahrzeugidentifikationsnummer ... resultieren.
3. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme der in den vorgenannten Klageanträgen genannten Zug-um-Zug-Leistung im Annahmeverzug befindet.
4. Es wird festgestellt, dass der in Antrag zu 1) bezeichnete Anspruch aus einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung herrührt.
5. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von den durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigen des Klägers entstandenen Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 2.077,74 EUR freizustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Im Übrigen wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
II. Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Für die Voraussetzungen eines Anspruchs aus § 826 BGB (iVm § 31 BGB) hat er auch unter Berücksichtigung der Ausführungen der Berufung nicht hinreichend vorgetragen. Ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB iVm § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 Satz 1 EG-FGV oder iVm Art. 5 Abs. 1, Art. 4 VO 715/2007/EG wegen eines fahrlässigen Verstoßes gegen diese Vorschriften scheidet schon deshalb aus, weil das Verhalten der Beklagten nach den Umständen des Falles nicht als fahrlässig zu bewerten ist, weil auch das Kraftfahrt-Bundesamt (im Folgenden: KBA) als zuständige Behörde die vom Kläger beanstandete Technik für zulässig erachtet. Weitere Anspruchsgrundlagen stehen dem Kläger nicht zur Seite.
1) Eine Haftung des Herstellers eines Pkw beziehungsweise eines Motors wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung nach dem - vorliegend nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs allein in Frage kommenden (vgl. BGH, Urteil vom 30. Juli 2020 - VI ZR 5/20, juris Rn. 9 ff.) - § 826 BGB (iVm § 31 BGB) setzt zunächst ein sittenwidriges Verhalten voraus.
Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der in einer Gesamtschau durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten...