Verfahrensgang

LG Essen (Urteil vom 01.07.2021; Aktenzeichen 3 O 143/20)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der Einzelrichterin der 3. Zivilkammer des Landgerichts Essen vom 1. Juli 2021 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des insgesamt vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt bis 30.000,00 EUR.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um Schadensersatz wegen einer von der Klägerin angenommenen Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem am 14. Oktober 2015 typgenehmigten (Zulassungsbescheinigung Teil I und I K 2, GA 72 f.) und von ihr am 20. November 2015 (Bestellung Anlage K 1, GA 58) zum Preis von 33.102,00 EUR bestellten Seat Alhambra "Style Plus" 2.0 TDI Ecomotive 110 kW Euro 6 mit Handschaltgetriebe, der mit einem von der Beklagten entwickelten und hergestellten Dieselmotor mit der herstellerinternen Typbezeichnung EA288 ausgestattet ist. Das Fahrzeug verfügt zur Abgasreinigung neben einer Abgasrückführung (AGR), einem Dieselpartikelfilter (DPF) und einem Oxidationskatalysator über einen SCR-Katalysator, bei dem eine Stickoxidreduzierung mittels einer wässrigen Harnstofflösung mit dem Handelsnamen AdBlue erreicht wird.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Die Klägerin verlangt mit ihrer Klage die Erstattung des Kaufpreises unter Anrechnung einer Nutzungsentschädigung nach der linearen Berechnungsmethode ausgehend von einer zu erwartenden Gesamtlaufleistung von 300.000 km und der beim Landgericht zuletzt angegebenen Laufleistung von 63.886 km (insgesamt 26.052,82 EUR) nebst Verzugszinsen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeuges sowie die Feststellung von Annahmeverzug und die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe einer 2,0-Gebühr bei einen Gegenstandswert in Höhe des vollen Kaufpreises. Der Kilometerstand beträgt 76.622 km.

Die Klägerin beantragt,

1. Unter Abänderung des am 1. Juli 2021 verkündeten Urteils des Landgerichts Essen, Aktenzeichen: 3 O 143/20, wird die Berufungsbeklagte verurteilt, an die Klägerin 26.052,82 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 3. Juni 2020 Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Seat Alhambra mit der Fahrzeug-Identifizierungsnummer ... zu zahlen.

2. Unter Abänderung des am 1. Juli 2021 verkündeten Urteils des Landgerichts Essen, Aktenzeichen: 3 O 143/20, wird festgestellt, dass sich die Berufungsbeklagte mit der Annahme des Seat Alhambra mit der Fahrzeug-Identifizierungsnummer ... seit spätestens 31. Januar 2020 in Annahmeverzug befindet.

3. Unter Abänderung des am 1. Juli 2021 verkündeten Urteils des Landgerichts Essen, Aktenzeichen: 3 O 143/20, wird die Berufungsbeklagte verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 2.256,24 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31. Januar 2020 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Im Übrigen wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II. Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg. Sie hat auch unter Berücksichtigung ihres Vorbringens in der Berufungsinstanz für eine Haftung der Beklagten wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung nicht hinreichend vorgetragen.

1) Eine Haftung des Herstellers eines Pkw beziehungsweise eines Motors wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung nach dem - vorliegend nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vornehmlich in Frage kommenden (vgl. BGH, Urteil vom 30. Juli 2020 - VI ZR 5/20, juris Rn. 9 ff.) - § 826 BGB (iVm § 31 BGB) setzt zunächst ein sittenwidriges Verhalten voraus.

Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der in einer Gesamtschau durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann (st. Rspr., etwa BGH, Urteil vom 22. Februar 2022 - VI ZR 934/20, juris Rn. 16 mwN). Schon zur Feststellung der objektiven Sittenwidrigkeit kann es daher auf Kenntnisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden ankommen, die die Bewertung seines Verhaltens als verwerflich rechtfertigen. Die Verwerflichkeit kann sich auch aus einer bewussten Täuschung ergeben (st. Rspr...

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