Verfahrensgang
LG Dortmund (Aktenzeichen 15 O 130/94) |
Gründe
Der Kläger, vertreten durch seine Betreuerin, nimmt die Beklagte aus einer Unfallversicherung - vereinbart sind die AUB 88 - auf Zahlung von Unfallkrankenhaustagegeld in Höhe von 23.400,00 DM (390 Tage X 60,00 DM) in Anspruch.
Am 16.07.1993 erlitt der Kläger als Beifahrer im Pkw seines Schwagers im Randgebiet von einen schweren Verkehrsunfall Seither ist er aufgrund einer Hirnleistungsminderung schwerstbehindert.
Durch das angefochtene Urteil hat das Landgericht die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung von Unfallkrankenhaustagegeld verurteilt.
Mit ihrer hiergegen gerichteten Berufung wiederholt die Beklagte ihre Auffassung, Deckungsschutz sei im Hinblick auf § 2 I Abs. 1 AUB 88 nicht gegeben, da eine dem Kläger nach dem Unfall entnommene Blutprobe eine BAK von 1, 9 o/oo ergeben habe. Außerdem sei sie wegen einer Aufklärungsobliegenheitsverletzung leistungsfrei, da in der Schadenanzeige vom 30.07.1993 die Frage danach, ob die verletzte Person in den letzten 24 Stunden vor dem Unfall Alkohol zu sich genommen habe, zu Unrecht verneint worden sei.
Das zulässige Rechtsmittel ist unbegründet.
Die Beklagte ist dem Kläger zur Zahlung des vereinbarten Unfallkrankenhaustagegelds gem. § 7 IV Abs. 1 AUB 88 in der geltend gemachten unstreitigen Höhe verpflichtet.
1.
Leistungsfreiheit der Beklagten wegen Aufklärungsobliegenheitsverletzung (§§ 9 II S. 1, 10 AUB 88 i. V. m. § 6 Abs. 3 VVG) ist nicht eingetreten.
Zwar ist in der Schadenanzeige vom 30.07.1993 die Frage zu 7 ("Alkoholgenuß: Hat die verletzte Person in den letzten 24 Stunden vor dem Unfall Alkohol zu sich genommen?") objektiv unrichtig verneint. Die Schadenanzeige ist jedoch nicht vom Kläger, sondern von seiner Ehefrau ausgefüllt, unterschrieben und der Beklagten zugeleitet worden.
Deren Falschangabe kann dem Kläger nicht zugerechnet werden. Die Beklagte bezeichnet zwar lapidar als Wissenserklärungsvertreterin des Klägers, ohne dies indes näher zu begründen. Nach Lage der Dinge spricht nichts dafür, daß der sich am 30.07.1993 im Krankenhaus befindliche und dort maschinell beatmete Kläger (vgl. Arztbericht - Bl. 74 ff. d. A.) gewußt und gewollt hat, daß seine Ehefrau für ihn die Schadenanzeige ausfüllte und beim Versicherer einreichte (vgl. BGH VersR 1993, 960). Jedenfalls ist von der insoweit darlegungspflichtigen Beklagten dazu nichts vorgetragen.
Ob die Ehefrau des Klägers bei Ausfüllung der Schadenanzeige ohne Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit handelte, kann deshalb offenbleiben.
2.
Auch die Voraussetzungen eines Leistungsausschlusses nach § 2 I Abs. 1 S. 1 AUB 88 sind nicht feststellbar.
a)
Ausweislich des gerichtsmedizinischen Berichts vom 27.07.1993 des in (Original - Bl. 15 Ermittlungsakten 52 Js 1677/93 StA; Übersetzung - Bl. 11 d. A.) ergab eine dem Kläger nach dem Unfall entnommene Blutprobe eine BAK von 1, 9 o/oo.
Nicht ohne Anlaß bestreitet der Kläger aber die Verwertbarkeit dieser Blutprobenuntersuchung, die ausschließlich nach der Widmark-Methode (spezifische quantitative und qualitative Bestimmung) durchgeführt worden ist. Zur Bestimmung einer BAK bedarf es auch nach der Rechtsprechung des Versicherungssenats des BGH (VersR 1988, 950) grundsätzlich mehrerer Kontrolluntersuchungen, und zwar innerhalb jeweils 2 verschiedener Verfahren: Entweder sind 5 einzelne Analysen (3 Proben nach dem Verfahren von Widmark sowie 2 Proben nach dem ADH-Verfahren) oder 4 Einzelanalysen (2 gaschromatografische Proben sowie 2 Proben nach dem ADH-Verfahren erforderlich. Weil bei Messungen im Bereich der Naturwissenschaft absolute Genauigkeit, d. h. völlige Übereinstimmung des Meßergebnisses mit der wirklich gegebenen Größe, selbst unter günstigsten Voraussetzungen nicht erreichbar ist, kann bei Blutalkoholuntersuchungen für gerichtliche Zwecke - jedenfalls beim jetzigen Erkenntnisstand - grundsätzlich auf zwei verschiedene Untersuchungsverfahren nicht verzichtet werden, um Fehlermöglichkeiten in ihren Auswirkungen auszugleichen.
Diesen Anforderungen entspricht die beim Kläger durchgeführte Blutprobenuntersuchung nicht. Die Ergebnisse von Analysen, die den o. g. Grundsätzen widersprechen, sind zwar nicht schlechthin unverwertbar (BGH a.a.O.; Senat VersR 1995, 494 m.w.N.). Wird das Standardverfahren nicht eingehalten, kann die Einzelanalyse in freier Beweiswürdigung unter Berücksichtigung der konkreten Analyseumstände und eines großzügigen Sicherheitsabschlags bei Beachtung gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnisse zur Bestimmung der BAK herangezogen werden (Senat a.a.O.).
Ob und inwieweit im Streitfall auf der Grundlage der beim Kläger durchgeführten Blutprobenentnahme eine sichere Feststellung der zum Unfallzeitpunkt gegebenen BAK möglich ist, bedarf indes keiner näheren Klärung. Das für die Beklagte günstigste Ergebnis kann nur so aussehen, daß zwar die durchgeführte Blutuntersuchung verwertet werden könnte, jedoch aufgrund eines vorzunehmenden deutlichen Sicherheitsabschlages ein unterhalb von 1,9 o/oo anzusiedelnder BAK-W...