Leitsatz (amtlich)
1. Veranstaltet ein Verein für Vereinsmitglieder eine Fahrradtour, können sich daraus Sicherungspflichten der Organisatoren für die Teilnehmer ergeben, bei deren Verletzung eine Haftung des Vereins nach §§ 280, 278 BGB oder §§ 823, 31, 831 BGB in Betracht kommt.
2. Eine schuldhafte Verletzung von Sicherungspflichten liegt nicht vor, wenn die Organisatoren durch Aufstellen von Warnposten ein gefahrloses Überqueren übergeordneter Straßen durch die Gruppe gewährleisten, eine vergleichbare Sicherung von einzeln fahrenden Nachzüglern aber nicht erneut vornehmen. Für einzeln fahrende Nachzügler ist insoweit kein Vertrauen darauf gerechtfertigt, dass die im Hinblick auf das gruppenbedingt atypische Verhalten der geschlossenen Radfahrergruppe ergriffenen Vorkehrungen auch für sie aufrechterhalten oder erneut veranlasst werden.
Normenkette
BGB §§ 280, 278, 823 Abs. 1, §§ 31, 831; StVO §§ 27, 29
Verfahrensgang
LG Bielefeld (Urteil vom 08.03.2013; Aktenzeichen 4 O 175/12) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 8.3.2013 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des LG Bielefeld wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I. Der Kläger, damals Mitglied des beklagten Schützenvereins, wurde am 2.6.2011 (Himmelfahrtstag), während einer von Vereinsmitgliedern des Beklagten organisierten Fahrradtour der Jungschützen bei einem Verkehrsunfall in F schwer verletzt, als er auf einer Kreuzung des Waldwegs mit der übergeordneten M Straße mit einem ihm gegenüber bevorrechtigten Kraftfahrzeug kollidierte. Er nimmt den Beklagten nunmehr auf hälftigen Schadensersatz in Anspruch.
Wegen des erstinstanzlichen Vortrags der Parteien und der gestellten Anträge wird gem. § 540 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Das LG hat die Klage nach Beweisaufnahme durch Vernehmung von Zeugen abgewiesen und dies im Wesentlichen wie folgt begründet: Der Beklagte hafte nicht gem. § 823 Abs. 1 BGB, weil weder dem Vorstand des Beklagten noch den Organisatoren der Fahrradtour eine Verletzung von Verkehrssicherungspflichten anzulasten sei. Das vorgesehene und auch tatsächlich umgesetzte Sicherungskonzept habe den zu stellenden Anforderungen hinreichend entsprochen. In den etwa zwei Stunden vom Beginn der Tour bis zum Unfallgeschehen um 15.37 Uhr hätten die Teilnehmer der Tour bereits mehrere Kreuzungen überquert gehabt. Dabei habe es nach jeweiliger Sicherung durch die eingeteilten und mit Warnwesten ausgerüsteten Sicherungsposten keinerlei Probleme gegeben. Es sei nicht zu beanstanden, dass die Sperrung der Unfallkreuzung aufgehoben worden sei, nachdem ein Großteil der Teilnehmer die dem Waldweg übergeordnete M Straße überquert gehabt habe. Zwar habe man für die Nachzüglergruppe, die zurück geblieben war, weil ein Teilnehmer eine Fahrradpanne gehabt hatte, die Kreuzung später erneut sperren müssen. Hieraus lasse sich jedoch zum Vorteil des Klägers nichts herleiten. Denn der Kläger sei nicht in einer Gruppe mit den anderen Nachzüglern gefahren sondern den anderen voraus allein. Eine Sperrung der Kreuzung für einen einzelnen Nachzügler habe nicht erfolgen müssen und der Kläger habe eine derartige Sperrung auch nicht erwarten können.
Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter. Er vertritt die Auffassung, das LG habe eine unfallursächliche Pflichtverletzung auf Seiten des Beklagten rechtsfehlerhaft verneint. Denn entgegen der Auffassung des LG habe er erwarten dürfen, dass zu überquerende Straßenkreuzungen stets in gleicher Weise gesichert gewesen seien wie in den ersten beiden Stunden des Fahrradausflugs. Dies habe auch für die Nachzügler gegolten. An der Unfallstelle habe eine besondere Gefahrensituation bestanden, zumal die Radfahrer auf der abschüssigen Strecke erhebliche Geschwindigkeiten erreicht hätten, die Querstraße ebenso wie das Verkehrsschild für Ortsunkundige wie ihn, den Kläger, nur schwer zu erkennen gewesen seien, und außerdem eine alkoholbedingte Enthemmung der Teilnehmer habe bedacht werden müssen. Es habe daher Anlass bestanden, Sicherheit auch für Nachzügler zu gewährleisten, und zwar durch Sperrung der Vorfahrtstraße oder durch Warnposten auf dem Waldweg vor der Kreuzung.
Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und den Beklagten entsprechend den im Tatbestand des angefochtenen Urteils wiedergegebenen Klageanträgen zu 1) bis 4) zu verurteilen.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt die angefochtene Entscheidung.
Hinsichtlich des weiteren Vortrags der Parteien und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen, Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils
samt darin e...