Verfahrensgang

LG Bielefeld (Urteil vom 30.01.1997; Aktenzeichen 6 O 398/96)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld vom 30. Januar 1997 teilweise abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 56.753,72 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 31.07.1996 zu zahlen. Im übrigen werden die Berufung zurückgewiesen und die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin 20 % und der Beklagten 80 % auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Es beschwert keine der Parteien mit mehr als 60.000,00 DM.

 

Gründe

(Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.)

Die Berufung der Beklagten hat nur teilweise Erfolg.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Erbersatzanspruch gemäß § 1934 a BGB in Höhe von 56.753,72 DM.

1.

Die ehelichen Kinder des Erblassers haben die Erbschaft form- und fristgerecht ausgeschlagen (§§ 1944, 1945 BGB). Soweit Frau … als alleinige Inhaberin der elterlichen Sorge die Erbschaft auch für ihre Kinder ausgeschlagen hat, bedurfte dies keiner vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung (§ 1643 Abs. 2 BGB).

Die Ausschlagungen sind auch nicht deshalb unwirksam, weil sie unter einer Bedingung erfolgt sind (§ 1947 BGB). Eine Bedingung ist die durch den Willen des Erklärenden in ein Rechtsgeschäft eingefügte Bestimmung, daß die Rechtswirkungen des Geschäfts von einem zukünftigen, jetzt noch Ungewissen Ereignis abhängig sein sollen (Palandt/Heinrichs, BGB, 56. Aufl., Rn. 1 vor § 158). Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben. Die Rechtswirkungen der Ausschlagungserklärungen der ehelichen Kinder sollten vielmehr unmittelbar eintreten. Die Kinder gingen davon aus, daß als Folge ihrer Erklärung die Mutter Alleinerbin werden würde, was auch tatsächlich der Fall war. Nicht mitbedacht worden ist aber, daß sich als ungewollte Folge der Ausschlagungen der Erbersatzanspruch der Klägerin erhöhte (§§ 1953 Abs. 1 und Abs. 2, 1934 a Abs. 1 BGB). Insoweit irrten die Kinder über die Rechtsfolgen ihrer unbedingt gewollten Ausschlagungserklärungen (vgl. OLG Hamm OLGZ 82, 46).

Die ehelichen Kinder haben die Ausschlagungen auch nicht wirksam gem. §§ 1954, 119 Abs. 1 BGB angefochten. Es liegt kein Anfechtungsgrund nach § 119 Abs. 1 BGB vor. In Betracht käme hier nur ein Inhaltsirrtum. Ein solcher Inhaltsirrtum liegt vor, wenn der Erbe über den Inhalt seiner Erklärung irrt. Den ehelichen Kindern war hier aber bewußt, daß sie die Erbschaft ausschlugen. Der Irrtum über die Rechtsfolgen einer Erklärung wird nur dann einem Inhaltsirrtum gleichgestellt, wenn das Rechtsgeschäft nicht die erstrebten sondern davon wesentlich verschiedene Rechtsfolgen erzeugt. Der nicht erkannte Eintritt zusätzlicher Rechtswirkungen, die zu den gewollten Folgen ex lege hinzutreten, ist kein Inhaltsirrtum, sondern ein unbeachtlicher Motivirrtum (BGH NJW 1995, 1485; OLG Düsseldorf ZEV 1997, 259; Palandt-Heinrichs, a.a.O., Rn. 15 zu § 119; OLG Hamm, a.a.O., 49). Gewollte Folge der Erbausschlagung war das Ausscheiden der Kinder aus der Erbfolge verbunden mit der sich daraus ergebenden Alleinerbenstellung der Mutter. Dies ist, wie bereits dargelegt, erreicht worden. Nicht mitbedacht worden ist aber die sich aus §§ 1953 Abs. 1 und 2, 1934 a Abs. 1 BGB ergebende Folge, daß sich der Erbersatzanspruch der Klägerin von 1/6 auf 1/2 des Nachlaßwertes erhöhte. Es liegt damit der Fall eines unbeachtlichen Irrtums über eine ex lege eintretende Rechtsfolge vor, der nicht zur Anfechtung berechtigt.

2.

Der Erbersatzanspruch der Klägerin errechnet sich wie folgt:

Aktiva

443.044,12 DM

Passiva

273.677,03 DM

Nachlaßwert

169.367,09 DM.

Hieraus errechnet sich ein Erbersatzanspruch von 84.683,54 DM, auf den die Beklagte 27.929,82 DM gezahlt hat. Es verbleibt mithin eine Forderung in Höhe von 56.753,72 DM.

a)

Bei der Ermittlung des Aktivnachlasses hat der Senat die Guthaben des Sparbuchs (40.171,62 DM) und des Girokontos (17.807,12 DM) jeweils nur zur Hälfte in Ansatz gebracht. Nach den Aussagen der Zeugen … und … steht es zur Überzeugung des Senats fest, daß die Kontenguthaben im Innenverhältnis den Eheleuten … gemeinsam zustehen sollten, so daß die Beklagte aufgrund der Absprachen mit ihrem Ehemann einen Anspruch auf hälftige Teilhabe an den Beträgen hatte. Dieser Anspruch auf Teilhabe mindert den Nachlaßwert um 28.989,37 DM.

b)

Die von der Beklagten ermittelten Passiva waren um 1.068,12 DM zu kürzen, da die Kosten für eine anwaltliche Beratung bei der Abrechnung des Erbersatzanspruchs keine Nachlaßverbindlichkeiten im Sinne von § 1967 BGB sind.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 10, 546 Abs. 2 ZPO.

 

Unterschriften

Böhmer, Eggert, Lülling

 

Fundstellen

Haufe-Index 1780391

FamRZ 1998, 771

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