Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Haftungsausschluss bei Privatkauf eines Gebrauchtwagens

 

Leitsatz (amtlich)

1. Auch beim Privatverkauf eines gebrauchten Fahrzeuges hält ein formularmäßig vereinbarter umfassender Haftungsausschluss der Inhaltskontrolle nicht stand und ist wegen Verstoßes gegen § 309 Nr. 7a und b n.F. im Ganzen nichtig.

2. Zum Vorliegen einer Beschaffenheitsgarantie unter Privatleuten und zur Entbehrlichkeit des Nacherfüllungsverlangens mit Fristsetzung beim Gebrauchtwagenkauf.

 

Normenkette

BGB § 309 Nrn. 7a, 7b, §§ 323, 443-444

 

Verfahrensgang

LG Münster (Urteil vom 22.07.2004; Aktenzeichen 15 O 175/04)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 22.7.2004 verkündete Urteil der 15. Zivilkammer des LG Münsters abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 12.470,75 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 19.4.2004 zu zahlen, und zwar Zug um Zug gegen Rückübereignung des Fahrzeuges Seat Leon Sport, Fahrzeugident-Nr. ...).

Die weiter gehende Klage wird abgewiesen und die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

A. Gemäß § 540 Abs. 2 i.V.m. § 313a Abs. 1 S. 1 und § 544 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO wird von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen abgesehen.

B. Die zulässige Berufung des Klägers ist größtenteils begründet. Der Kläger kann die Rückabwicklung des Kaufvertrages sowie Ersatz für die von ihm getätigten Aufwendungen für den Einbau eines neuen Klimakompressors, einer neuen Zylinderkopfdichtung und einer neuen Hupe verlangen. Allerdings muss er sich eine Nutzungsentschädigung i.H.v. 1.426,75 EUR anrechnen lassen; die Kosten für die Hohlraumversiegelung stehen ihm nicht zu.

Da das streitgegenständliche Rechtsverhältnis am 26.3.2003 begründet wurde, ist das BGB in der seit dem 1.1.2002 geltenden Fassung anzuwenden, Art. 229 § 5 S. 1 EGBGB.

I. Für das Rückabwicklungsbegehren kann der Kläger sich auf die §§ 433, 434, 437 Nr. 2, 440, 323, 326 Abs. 5, 346 BGB stützen.

1. Unter dem 26.3.2003 ist zwischen den Parteien der in Rede stehende Kaufvertrag abgeschlossen worden. Der Vertrag ist nicht gem. § 142 BGB nichtig. Zwar hat der Kläger in der Klageschrift vorsorglich die Anfechtung des Kaufvertrages erklärt. Insoweit wird aber deutlich, dass die Anfechtung nur dann zum Zuge kommen soll, wenn der Kläger mit der Sachmängelhaftung nicht durchgreift. Es handelt sich demnach um eine im Prozess zulässige Eventualanfechtung, die trotz grundsätzlicher Bedingungsfeindlichkeit der Anfechtungserklärung möglich sein soll (vgl. auch zu den unterschiedlichen Begründungen Westermann in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 158 Rz. 29).

2. Das Fahrzeug ist mangelhaft. Laut Kaufvertrag war zwar kein unfallfreies Fahrzeug geschuldet, da der Text des Kaufvertrages durch die Nennung erneuerter Teile auf einen Unfallschaden größeren Ausmaßes hindeutet und damit gem. § 434 Abs. 1 S. 1 BGB eine Beschaffenheit als Unfallwagen vereinbart worden ist. Allerdings heißt es weiter, die hier genannten Ersatzteile seien "fachgerecht erneuert". Entgegen der Ansicht des Beklagten kann insoweit nicht davon ausgegangen werden, dass hierdurch im Hinblick auf den Unfall lediglich die fachgerechte Erneuerung der hier genannten Teile vereinbart worden ist. Denn bei der Auslegung darf nicht am Wortlaut des Vertrages gehaftet werden, sondern es ist zu fragen, wie die Parteiabreden nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte zu verstehen sind, §§ 133, 157 BGB. Nach diesen Grundsätzen können die Angaben des Beklagten im Vertragsformular nur so verstanden werden, dass durch die erneuerten Teile der zugrunde liegende Unfallschaden fachgerecht, d.h. auch vollständig, behoben worden ist. Nur so macht die Erklärung des Beklagten für einen verständigen Käufer einen Sinn. Denn das Interesse des Käufers besteht nicht vordringlich am Besitz neuer Teile, sondern daran, ein gebrauchstaugliches und - nach Unfall - ordnungsgemäß instand gesetztes Fahrzeug zu erwerben.

Eine fachgerechte Reparatur ist hingegen nicht erfolgt. Insoweit hat der in der mündlichen Verhandlung hierzu angehörte Sachverständige Dipl.-Ing. C. für den Senat nachvollziehbar und unter Darlegung der einzelnen Untersuchungsschritte ausgeführt, dass die erheblichen unfallbedingten Fahrzeugschäden nicht ordnungsgemäß behoben worden sind. So zeige bereits eine erste Besichtigung des Fahrzeugs, dass die Spaltmaße unter dem Hauptscheinwerfer rechts größer seien als jene auf der linken Seite. Auch wiesen die rechte Vorder- und Hintertür im oberen Bereich Spaltverengungen auf, wobei die vordere Tür mit der hinteren oberen Kante an die hintere Tür anecke, was auf ein Verziehen der gesamten Karosserie schließen lasse. Auch an den Befestigungsschrauben der Kotflügel sei ein leichter Versatz zu erkennen. Nach der Demontage von Stoßstange und Rädern habe er - so der Sachverständige weiter - feststellen können, dass der Längsträgerkopf des Fahrzeu...

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