Leitsatz (amtlich)
Das beklagte Land Nordrhein-Westfalen haftet aufgrund einer Amtspflichtverletzung (Verkehrssicherungspflichtverletzung) für den Schaden, den ein Pkw beim Durchfahren eines Schlaglochs auf einer Bundesautobahn erlitten hat, weil das Schlagloch durch eine vom Land zu verantwortende, vermeidbare Gefahrenquelle entstanden ist.
Normenkette
BGB § 839; GG Art. 34; StrWG NRW §§ 9, 9a
Verfahrensgang
LG Essen (Urteil vom 01.02.2012; Aktenzeichen 4 O 301/10) |
Tenor
Die Berufung des beklagten Landes gegen das am 1.2.2012 verkündete Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des LG Essen wird zurückgewiesen.
Das beklagte Land trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Der Kläger nimmt das beklagte Land unter dem Vorwurf der Verkehrssicherungspflichtverletzung auf Ersatz von Schäden in Anspruch, die an seinem Fahrzeug Pkw Skoda, amtliches Kennzeichen..., am 19.5.2010 nachts gegen 01:30 Uhr bei Benutzung der BAB 52 im Bereich einer seinerzeit in Höhe der Anschlussstelle Gelsenkirchen-Buer-West befindlichen Baustelle entstanden sind. Außerdem begehrt er die Zahlung einer allgemeinen Kostenpauschale sowie Ersatz ihm vorgerichtlich entstandener Anwaltskosten.
Das LG hat nach Beweisaufnahme der Klage mit der Begründung stattgegeben, dass das beklagte Land die von der bauausführenden Fa. H2 für den Standstreifen gefertigten provisorischen Gullyschachtabdeckungen nicht engmaschig genug darauf hin kontrolliert habe, ob sie den Belastungen des übergangsweise auf den Standstreifen umgelenkten Verkehrs standhalten. Ein Mitverschulden falle dem Kläger nicht zur Last, weil nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme die unfallursächliche, schadhafte provisorische Schachtabdeckung für den Fahrzeugverkehr nicht erkennbar gewesen sei. Der vom Kläger geltend gemachte Schadensersatzanspruch sei auch der Höhe berechtigt, insbesondere die im Schadensgutachten in Ansatz gebrachte Wertminderung von 100 EUR gerechtfertigt, wohingegen ein Abzug "Neu für Alt" für die bei der Fahrzeugreparatur erneuerten zwei Winterreifen nicht in Betracht komme.
Wegen der weiteren Einzelheiten der vom LG getroffenen tatsächlichen Feststellungen und der Urteilsbegründung wird auf die angefochtene Entscheidung erster Instanz Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).
Gegen diese Entscheidung wendet sich das beklagte Land mit der Berufung, mit der es seinen erstinstanzlichen Klageabweisungsantrag weiterverfolgt. Es meint, dass das LG zu Unrecht eine Verkehrssicherungspflichtverletzung bejaht hat. Dazu trägt das beklagte Land ergänzend vor, dass der betreffende Baustellenbereich nach Herstellung der provisorischen Schachtabdeckungen zweimal wöchentlich von der Autobahnmeisterei kontrolliert worden sei, letztmals vor dem Unfall am 18.5.2010, ohne dass sich dabei irgendwelche Besonderheiten ergeben hätten. Darüber hinaus habe es die Verkehrssicherung für die Baustelle mit dem zwischen ihm und der Fa. H2 abgeschlossenen Bauvertrag auf letztere übertragen, die ihrerseits damit wiederum die Fa. I beauftragt habe. Diese habe den Baustellenbereich zweimal täglich - einmal am Tag und einmal in der Nacht - kontrolliert. Die letzte Kontrolle vor dem Unfall des Klägers sei am 19.5.2010 zwischen 0:19 Uhr und 0:29 Uhr durchgeführt worden, ohne dass dabei Auffälligkeiten festgestellt worden seien.
Darüber hinaus hat das beklagte Land noch ergänzend dazu vorgetragen, in welcher Weise die provisorischen Schachtabdeckungen von der Fa. H2 hergestellt worden sind.
Das beklagte Land beantragt, das erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt mit näheren Ausführungen die angefochtene Entscheidung als richtig.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Der Senat hat ein schriftliches Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. Ing. T vom 20.5.2013 eingeholt, wegen dessen Ergebnisses auf Blatt 189 bis 198 der Akten verwiesen wird. Ferner hat der Senat in der mündlichen Verhandlung am 15.11.2013 den Kläger sowie den für das beklagte Land gem. § 141 Abs. 3 S. 2 ZPO auftretenden Vertreter Herrn H persönlich angehört und den Sachverständigen Prof. Dr. Ing. T ergänzend befragt. Wegen des Ergebnisses der Parteianhörung und der mündlichen Gutachtenerstattung wird auf den Berichterstattervermerk vom 16.11.2013 Bezug genommen.
II. Die zulässige Berufung des beklagten Landes ist unbegründet. Das LG hat der Klage im Ergebnis zu Recht bis auf einen geringfügen Teil des geltend gemachten Zinsanspruches stattgegeben.
1. Dem Kläger steht aufgrund des Unfallgeschehens vom 19.5.2010 gegen das beklagte Land aus § 839 Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG und §§ 9, 9a Abs. 1 StrWG NRW ein Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz i.H.v. 2.198,58 EUR sowie Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten i.H.v. 272,8...