Leitsatz (amtlich)
1. Bereits die Annahme eines Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb durch eine Äußerung in sozialen Medien setzt die Überschreitung einer Erheblichkeitsschwelle voraus, an der es im Einzelfall auch bei einer unangebrachten und ausfälligen Äußerung fehlen kann, wenn diese nach den Gesamtumständen nicht geeignet ist, das Unternehmen des Klägers in empfindlicher Weise zu beeinträchtigen.
2. Ist eine Äußerung trotz ihres unangemessenen ausfälligen Charakters noch von der allgemeinen Meinungsfreiheit gedeckt und deshalb die Grenze zur Schmähkritik noch nicht überschritten, kann es zudem an der Rechtswidrigkeit eines etwaigen Eingriffs fehlen.
3. Der Streitwert in einem solchen Verfahren ist nach der Bedeutung der Sache für die klagende Partei festzusetzen (§ 3 ZPO) und kann die Grenze von 5.000,00 EUR aus § 52 Abs. 2 GKG - wie hier mit 3.000,00 EUR für das erstinstanzliche Verfahren - deutlich unterschreiten.
Verfahrensgang
LG Hagen (Aktenzeichen 4 O 70/19) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Hagen vom 18.05.2020 abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
(abgekürzt gemäß §§ 313 a Abs. 1 Satz 1, 540 Abs. 2 ZPO)
I. Die zulässige Berufung des Beklagten ist begründet, denn die Klägerin hat gegen den Beklagten unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch auf Unterlassung der streitgegenständlichen Äußerung.
1. Ein solcher Anspruch folgt nicht aus §§ 1004 Abs. 1 S.2 analog, 823 Abs. 1 BGB wegen einer Verletzung des Rechts der Klägerin an ihrem eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb.
a) Es fehlt bereits an einem tatbestandsmäßigen betriebsbezogenen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Klägerin. Die Erheblichkeitsschwelle zur Feststellung eines solchen Eingriffs ist durch die streitgegenständliche Äußerung nicht erreicht. Die Äußerung des Beklagten war zwar unangemessen und ausfällig, sie war jedoch in der gebotenen Gesamtschau nicht geeignet, das Unternehmen der Klägerin in empfindlicher Weise zu beeinträchtigen.
Ein betriebsbezogener Eingriff ist jeder unmittelbare Eingriff in die betriebliche Tätigkeit, der zu einer Beeinträchtigung des Betriebes als solchen oder zu einer Bedrohung seiner Grundlagen führt. Insoweit kann es genügen, wenn wesentliche geschäftliche Aktivitäten unmittelbar beeinträchtigt oder verhindert werden oder verhindert werden sollen (BGH, Urteil vom 14. Januar 2020 - VI ZR 495/18 -, juris, Rn. 35; ders., Urteil vom 15. Mai 2012 - VI ZR 117/11 -, juris, Rn. 19 und 21; Palandt, BGB, 80. Auflage 2021, § 823, Rn. 139). Geschützt ist auch das Interesse des Unternehmens daran, dass seine wirtschaftliche Stellung nicht durch inhaltlich unrichtige Informationen oder Wertungen, die auf sachfremden Erwägungen beruhen oder herabsetzend formuliert sind, geschwächt wird und andere Marktteilnehmer deshalb von Geschäften mit ihm abgehalten werden (vgl. BGH, Urteil vom 16. Dezember 2014 - VI ZR 39/14 -, juris, Rn. 13 m. w. N.; ders., Beschluss vom 14. April 2005 - V ZB 16/05 -, juris; OLG Düsseldorf, Urteil vom 21. Februar 2019 - I-16 U 179/17 -, juris, Rn. 58; vgl. auch Palandt, a. a. o., § 823, Rn. 138). Erforderlich ist allerdings eine Schadensgefahr, die über die bloße Belästigung oder sozialübliche Behinderung hinausgeht und geeignet ist, das Unternehmen in empfindlicher Weise zu beeinträchtigen (J. Lange in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl., § 823 Abs. 1 BGB (Stand: 01.02.2020), Rn. 39 m. w. N.). Schon zur Bestimmung des Inhalts des Schutzbereichs dieses offenen Tatbestandes ist dabei eine Güter- und Interessenabwägung der konkret kollidierenden Interessensphären vorzunehmen (BGH, Urteil vom 16. Dezember 2014 - VI ZR 39/14 -, juris, Rn. 16; Palandt, a. a. O., § 823 Rn. 137 m. w. N.). Hierbei ist zu beachten, dass eine Äußerung nicht isoliert, sondern stets in dem Gesamtzusammenhang zu würdigen ist, in dem sie gefallen ist.
Dies zu Grunde gelegt, ist vorliegend die Erheblichkeitsschwelle nicht überschritten. Die zweifellos unangebracht ausfällige Äußerung ist im Kontext der vollständigen Aussage des Beklagten nicht geeignet, das Unternehmen der Klägerin in empfindlicher Weise zu beeinträchtigen, erst Recht nicht im Gesamtkontext des Chatverlaufs.
Die streitgegenständliche Äußerung "H ist das größte Dreck" wird durch den zweiten Teil der auf der sozialen Medienplattform "facebook" geposteten Äußerung des Beklagten "wenn die da hin gehen lass die da hin gehen die Leute Wahre Kunden bleiben" durch den Beklagten selbst unmittelbar relativiert. Mit der Äußerung spricht der Beklagte seine offenkundige Verärgerung über die Angebotsreduzierung "seines" Angelparks aus, bekundet aber seine dennoch fortbestehende Treue zu Selbigem. Zugleich bekundet er eine Gleichgültigkeit gegenüber Wechselabsichten anderer Mitglieder und Kunden aufgrund der Angebotsred...