Leitsatz (amtlich)
Dem Erwerber eines mit einer Motorsteuerungssoftware zur Manipulation des Stickoxidwertes ausgestatteten Fahrzeugs steht gegen die Bundesrepublik Deutschland kein unionsrechtlicher Haftungsanspruch aus einer rechtswidrigen Umsetzung der EGRL 2007/46 oder aus einer rechtswidrigen Erteilung einer Typgenehmigung für das betreffende Fahrzeug zu. Es fehlt bereits an einem möglichen Verstoß gegen eine Rechtsnorm, die die betroffenen wirtschaftlichen Interessen des Erwerbers schützt.
Normenkette
BGB § 839; GG Art. 34; Richtlinie 2007/46/EG; VO (EU) 715/2007; ZPO § 256
Verfahrensgang
LG Essen (Aktenzeichen 1 O 151/19) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 6. Februar 2020 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Essen wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Die Klägerin verlangt als Erwerberin eines Fahrzeugs (B 2,0 TDI), welches mit einem von der W AG hergestellten und mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Diesel-Motor des Typs EA189 ausgestattet war, die Feststellung der Einstandspflicht der Beklagten für alle Schäden, die ihr - so die vertretene Auffassung - dadurch entstanden seien, dass die Beklagte die Umsetzung der Europäischen Typgenehmigungs-Richtlinie 2007/46/EG wegen einer unzureichenden Sanktionierung von Verstößen gegen die Richtlinie unterlassen habe. Dabei wird behauptet, dass die Firma W AG bei angemessener Sanktionierung von der Verwendung der Abschalteinrichtung in ihren Motoren abgesehen hätte. Hilfsweise werden die Ansprüche auf eine unzureichende Prüfung der Voraussetzungen für die Erteilung der Typgenehmigung für das Fahrzeug gestützt.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts einschließlich der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gemäß § 540 ZPO auf die Feststellungen in dem angefochtenen Urteil verwiesen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und u. a. die Voraussetzungen eines unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs verneint. Auch wegen der Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf das angefochtene Urteil verwiesen.
Mit der Berufung wiederholt und vertieft die Klägerin ihre Ansicht, dass die Bestimmungen der Richtlinie 46/2007/EG sowohl hinsichtlich der Vorschriften bezüglich der Erteilung der Typengenehmigung als auch hinsichtlich der Pflicht zur Sanktionierung von Verstößen zugunsten der Verbraucher im Hinblick auf deren Gesundheit und Sicherheit drittschützend seien. Die Beklagte habe gegen diese Vorschriften verstoßen, weil das Kraftfahrt-Bundesamt trotz des Verbotes nichts unternommen habe, um unzulässige Abschalteinrichtungen aufzudecken. Zudem habe es an wirksamen und abschreckenden Sanktionen im Falle von Verstößen gefehlt. Die möglichen Bußgelder seien kalkulierbar und somit zu niedrig, um abschreckend zu wirken, die möglichen strafrechtlichen Sanktionen nicht spezifisch genug. Die Verstöße der Beklagten gegen das Unionsrecht seien zudem qualifiziert, weil der gebotene Schutz des Verbrauchers verkannt worden sei. Nach dem Vorhandensein unzulässiger Abschalteinrichtungen sei trotz bestehender Verdachtsmomente nicht einmal gesucht worden. Bei pflichtgemäßem Handeln der Beklagten wäre es zu dem Einbau der Abschalteinrichtung nicht gekommen oder wäre diese rechtzeitig entdeckt worden, weshalb sie - die Klägerin - das Fahrzeug dann nicht erworben hätte. Durch den Vertragsschluss sei ihr - auch wenn die W AG einen Ausgleichsbetrag zahle bzw. gezahlt habe - mit Wahrscheinlichkeit ein Schaden aufgrund eines merkantilen Minderwerts des Fahrzeugs, erhöhter Unterhaltungskosten und zu befürchtender Nachforderungen von Kfz-Steuer entstanden.
Die Klägerin beantragt,
das am 06.02.2020 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Essen abzuändern und
festzustellen, dass die Beklagtenpartei verpflichtet ist, ihr die Schäden zu ersetzen, die ihr bezüglich des Fahrzeugs B mit der FIN: ...3 daraus resultieren, dass es die Beklagtenpartei unterlassen hat, aufgrund Art. 46 der Richtlinie 2007/46/EG wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionsmaßnahmen zu erlassen,
hilfsweise festzustellen, dass die Beklagtenpartei verpflichtet ist, ihr die Schäden zu ersetzen, die ihr aus der Zuteilung der Typengenehmigungsnummer vom 10.09.2012 ...6 mit der Typengenehmigungsnummer bezüglich des Fahrzeugs B mit der FIN: ...3 resultieren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil mit näheren Ausführungen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
II. Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
Zu Recht hat das Landgericht die Klage abgewiesen.
1. a) Entsprechend der Rechtsprechung weiterer Oberlandesgerichte (vgl. OLG Oldenburg, Beschluss vom 06.10.2020 zu 6 U 4/20 - unveröffentlicht -, OLG München, Beschluss vom 14.10.2020 zu 1 U 3855/20 - unveröffentlicht ...