Entscheidungsstichwort (Thema)
Veröffentlichung eines Buches in Satireform über ein real existierendes Gymnasium „Pestalozzis Erben”
Leitsatz (amtlich)
1. Bei persönlichkeitsrechtsverletzenden Werturteilen streitet eine Vermutung für die Freiheit der Rede, wenn die Äußerungen eine die breite Öffentlichkeit wesentlich berührende Frage betreffen. Schulische Fragestellungen weisen nahezu stets eine hohe gesellschaftliche und gesellschaftspolitische Relevanz auf.
2. Sind mehrere sich gegenseitig ausschließende Deutungen des Inhaltes einer Äußerung möglich, so ist der rechtlichen Beurteilung diejenige zugrunde zu legen, die dem auf Unterlassen in Anspruch Genommenen günstiger ist und den Betroffenen weniger beeinträchtigt.
Normenkette
BGB §§ 823, 847, 1004
Verfahrensgang
LG Bielefeld (Aktenzeichen 2 O 180/98) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufungen der Kläger gegen das am 12.8.1999 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des LG Bielefeld werden zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Den Klägern wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Hinterlegung oder Sicherheitsleistung i.H.v. 20.000 DM abzuwenden. Allen Parteien wird nachgelassen, die Sicherheitsleistung auch durch unbedingte und unbefristete Bürgschaft einer deutschen Großbank, Genossenschaftsbank oder öffentlichen Sparkasse zu erbringen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Veröffentlichung eines Buches mit dem Titel „Pestalozzis Erben”.
Die Kläger zu 1) und 2) waren Lehrer am städtischen Gymnasium O., dessen Leiter der Beklagte zu 1) ist. Die Klägerin zu 3), Tochter des Klägers zu 2), war dort Schülerin. Der Kläger zu 1) befindet sich seit 1995 wegen Dienstunfähigkeit im Ruhestand; der Kläger zu 2) und die Klägerin zu 3) haben inzwischen die Schule gewechselt.
Im Herbst 1997 erschien im Verlag des Beklagten zu 2) das vom Beklagten zu 1) verfasste Buch „Pestalozzis Erben”. In dem Buch erzählt der Leiter des Gymnasiums einer fiktiven Kleinstadt R. namens H.K. eine Vielzahl von Geschehnissen am Gymnasium und im Bereich der Stadt R.. Die Stadt R. in dem genannten Buch hat etwa 19.000 Einwohner, genauso wie die Stadt O.
Ein Teil der im Buch beschriebenen Ereignisse am Gymnasium und in der Stadt R. hat sich tatsächlich so abgespielt. Über 20 im Buch agierende Personen haben große Ähnlichkeit mit tatsächlich existierenden Personen, die u.a. am Gymnasium O. und in der Stadt – oder in der Schulverwaltung – aufgetreten sind und zum Teil für Aufsehen gesorgt haben.
Die Kläger erkennen sich in bestimmten Buchfiguren wieder und fühlen sich aufgrund verschiedener Passagen im Buch in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt. Für den Kläger zu 1) gilt dies insbesondere für folgende Abschnitte: Kapitel 11 (Seite 34, 35 des Buches):
„Mit O.Z. hatte K. schon seit Jahren Ärger. Z. gehörte zu jener Spezies, die durch ihr Verhalten jedes Vorurteil über Lehrer bestätigte: Er war faul, anmaßend, unpünktlich und feierte – im wahrsten Sinne des Wortes – einmal monatlich krank. Eltern, deren Kinder vorzeitig wegen Unterrichtsausfalls nach Hause kamen, riefen K. an, um ihm zu berichten, dass sie Z. auf dem Tennisplatz gesehen hätten und warum denn dann der Deutschunterricht ausfiele. Ein Vater, der allerdings nicht genannt sein wollte, erzählte, dass Z. ihm beim Bier seine Strategie für die letzten zehn Dienstjahre erläutert hatte. Zusammenfassend habe sie gelautet: ‚… Da wird sich der K. noch eine Menge einfallen lassen müssen, um den Vertretungsunterricht für mich zu organisieren.’
Und so kam es dann auch. Z. fehlte zwei Wochen, tat einen Monat lang seinen Dienst und fehlte erneut. Sein Rückenleiden, so erklärte er K., sei chronisch und mit herkömmlichen Mitteln nicht zu heilen.
Nach einem fast sechswöchigen Sanatoriumsaufenthalt erschien Z. mit einer ärztlichen Bescheinigung. Es wurde ihm attestiert, dass er vorübergehend nur bedingt dienstfähig sei. Als K. die Schulaufsicht einschaltete, wurde Z.s wöchentliche Pflichtstundenzahl prompt um die Hälfte reduziert. K. erhielt außerdem Anweisung, ihn im Fach Sport, das er bis dahin neben Deutsch unterrichtet hatte, aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr einzusetzen.
Unterrichtsverteilung und Stundenplan zu ändern war ein mühseliges Unterfangen. Als alles geschafft war, erschien Z. in K.s Dienstzimmer. Er wolle sich in aller Form beschweren, ließ er vernehmen. Der Belastung, in vier Klassen Deutsch unterrichten und Klassenarbeiten korrigieren zu müssen, sei er keinesfalls gewachsen. K. gab seine Ratlosigkeit zu erkennen. Er versuchte zu erklären, dass außer Z.s Gesundheitszustand am Gymnasium R. auch die Interessen der Schülerinnen und Schüler von gewissem Belang seien. Z. war das egal. Nach einer Woche meldete er sich krank.
14 Tage später bekam K. Post von der Bezirksregierung. Es wurde ihm mitgeteilt, dass Z. eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen ihn eingelegt habe und zwar ‚… wegen vorsätzlicher Herbeiführung der...