Leitsatz (amtlich)
1. Eine Lichtzeichenanlage bezweckt regelmäßig nicht auch den Schutz des aus angrenzenden Grundstücken auf die Straße einfahrenden Fahrzeugverkehrs.
2. Grundsätzlich tritt, wenn kein Verschulden des Unfallgegners nachgewiesen wird, die Betriebsgefahr seines Fahrzeugs hinter einen schuldhaften Verstoß der anderen Seite gegen § 10 StVO zurück.
Normenkette
StVG §§ 7, 17; StVO §§ 10, 37
Verfahrensgang
LG Essen (Urteil vom 08.10.2009; Aktenzeichen 12 O 246/09) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 8.10.2009 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer des LG Essen wird zurückgewiesen.
Die Kosten des zweiten Rechtszuges werden den Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Von der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird gem. § 540 Abs. 2 i.V.m. § 313a Abs. 1 ZPO abgesehen.
II. Die zulässige Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg.
Der Klägerin steht der ihr vom LG (lediglich) zugesprochene Anspruch auf Zahlung von 1.770,94 EUR nebst Zinsen und anteiligen vorgerichtlichen Anwaltskosten aus §§ 7, 17, 18 StVG, 115 VVG gegen die Beklagten zu.
1. Bei Betrieb des Fahrzeugs der Beklagten zu 2), gefahren von dem Beklagten zu 1), haftpflichtversichert bei der Beklagten zu 3), wurde das Fahrzeug der Klägerin im Rahmen des Unfalls am 13.6.2008 beschädigt. Ein unabwendbares Ereignis i.S.v. § 17 Abs. 3 StVG lag für keine der beiden Seiten vor. Insbesondere hätte ein Idealfahrer, der - wie der Beklagte zu 1) angab - schon vor der Kreuzungsdurchfahrt die Einbiegeabsicht der Klägerin erkannt hatte, sich hierauf nicht nur durch einen Spurwechsel sondern auch durch eine deutliche Verlangsamung seiner Geschwindigkeit einstellen und den Unfall vermeiden können. Allein schon zwischen der für den Beklagten zu 1) geltenden Haltelinie und dem Unfallort lagen immerhin rund 40-50 m.
Bei der Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge ist auf Seiten der Klägerin neben der Betriebsgefahr des von ihr geführten Fahrzeugs, ein Verstoß gegen § 10 StVO zu berücksichtigen. Wer - wie die Klägerin - aus einem Grundstück auf die Fahrbahn einfahren will, hat sich dabei so zu verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Kommt es im Zusammenhang mit dem Auffahren auf die Straße über die Gefährdung eines anderen Verkehrsteilnehmers hinaus zu einem Unfall, so spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der in den fließenden Verkehr hineinfahrende Kraftfahrer die ihm dabei obliegende gesteigerten Sorgfaltspflichten nicht beachtet hat (OLG Koblenz Urt. v. 10.7.2006 - 12 U 449/05 - juris). Dieser Anscheinsbeweis ist hier nicht erschüttert. Selbst wenn der Beklagte zu 1) die links von der damaligen Position der Klägerin liegende Kreuzung bei Rotlicht durchfahren hat, so hätte die Klägerin sein Herannahmen angesichts der nahezu geraden Strecke bemerken müssen und hätte sich nicht - im Vertrauen darauf, dass kein Verkehr von links kommen könne - gleich über zwei Fahrstreifen hinweg auf den in Fahrtrichtung liegenden ganz linken Richtungsfahrstreifen wechseln dürfen (vgl. auch OLG Hamm NZV 2001, 261). Die Stelle, an der die Klägerin auf die Straße einfuhr, liegt nicht im unmittelbaren Kreuzungsbereich und sie hätte auch aus anderem Grund, z.B. wegen Verkehr aus der nicht beampelten Rechtsabbiegerspur aus der B Straße, mit Verkehr rechnen müssen.
Hinter dieses Verschulden tritt die Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeugs im konkreten Fall allerdings nicht zurück. Vielmehr bewertet der Senat den Verursachungsanteil aufgrund der Betriebsgefahr des Fahrzeugs der Beklagten - wie das LG - mit 25 %. Grundsätzlich tritt, wenn kein Verschulden des Unfallgegners nachgewiesen wird, die Betriebsgefahr seines Fahrzeugs im Verhältnis zu einem schuldhaften Verstoß gegen § 10 StVO zurück (OLG Koblenz Urt. v. 10.7.2006 - 12 U 449/05 - juris m.w.N.; Hentschel-König § 17 StVG Rz. 18). Hier ist dies nicht der Fall, da der Beklagte zu 1) zur Überzeugung des Senats die links von der Klägerin liegende Kreuzung in Fahrtrichtung der Klägerin bei für ihn geltendem Rotlicht durchfuhr.
Der vor dem LG vernommene Zeuge X hat angegeben, dass die von seiner Beobachtungsposition aus links liegende Fußgängerampel über die B Straße bereits Rotlicht zeigte und deswegen auch die Autofahrer auf der X-Allee Rotlicht gehabt haben müssten (also auch der Beklagte zu 1). Bei dieser Lage habe er auf der rechten Spur der Fahrbahnen ein Fahrzeug halten gesehen während der Beklagte zu 1) auf der linken Spur über die Kreuzung hinweg fuhr. Das LG hat die Angaben des Zeugen zwar nicht als solche in Zweifel gezogen, meinte aber dadurch einen Rotlichtverstoß nicht beweisen zu können, da der Zeuge die für den Beklagten zu 1) geltende Ampel nicht habe sehen können. Gleichwohl kommt der Senat aufgrund dieser Aussage in Verbindung mit dem beigezogenen Ampelschaltplan zu der Überzeugung, dass der Beklagte zu 1) in die Kreuzung einfuhr, als bereits für ihn Rotlicht galt und er hätte anhalten müssen. Aus dem Ampelschaltplan ergibt ...