Entscheidungsstichwort (Thema)

Schmerzensgeld nur bei schwerem Schockschaden

 

Normenkette

BGB § 847

 

Verfahrensgang

LG Münster (Aktenzeichen 11 O 270/99)

 

Tenor

Auf die Berufung der Kläger wird unter Zurückweisung dieses Rechtsmittels i.Ü. das am 15.11.1999 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer des LG Münster abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt, an die Kläger zu Händen der Klägerin zu 1) 5.000 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 21.7.1999 zu zahlen.

Im Übrigen bleibt die Klage abgewiesen.

Die Anschlussberufung des Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Kosten der ersten Instanz tragen die Kläger zu 85 % und der Beklagte zu 15 %.

Die Kosten der zweiten Instanz tragen die Kläger zu 91 % und der Beklagte zu 9 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschwer der Parteien: unter 35.000 DM.

 

Gründe

I. Am 4.5.1998 gegen 22.30 Uhr verließ der Zeuge A. als Fahrer des in den Niederlanden zugelassenen und haftpflichtversicherten Geländewagens vom Typ Jeep GMC, mit dem er einen mit einem PKW beladenen Anhänger zog, den an der Bundesautobahn A 31 in der Gemeinde G. gelegenen Parkplatz, um die zweispurige Fahrbahn in nördlicher Richtung zu befahren. Das Fahrzeuggespann geriet ins Schleudern und prallte gegen die Mittelschutzplanke, woraufhin es in der Weise zum Stillstand kam, dass der Anhänger nahe der Mittelschutzplanke auf den Rädern stehen blieb, während das weiterhin angekoppelte Zugfahrzeug mit der Front in die linke Fahrspur ragend halb zur Seite gekippt auf den linken Rädern stehen blieb. Die Unterseite des Jeep zeigte dem nachfolgenden Verkehr entgegen. Kurz nach diesem Unfall befuhr der frühere Ehemann der Klägerin zu 1) und Vater der am 9.7.1998 geborenen Kläger zu 2) und 3) mit seinem PKW Audi 80 nach dem Überholen von LKW die linke Spur. Der Audi prallte gegen die Unterseite des Jeep. Der Ehemann der Klägerin wurde in seinem PKW eingeklemmt und erlag seinen schweren Verletzungen noch an der Unfallstelle.

Die Kläger machen nunmehr einen auf sie als Erben übergegangenen Schmerzensgeldanspruch des Verstorbenen geltend. Ferner begehrt die Klägerin zu 1) die Zahlung von Schmerzensgeld aus eigenem Recht, weil der Tod ihres Ehemannes bei ihr zu erheblichen gesundheitlichen Nachteilen geführt habe.

Die Kläger haben die Auffassung vertreten, bei der Schmerzensgeldbemessung sei Unfallverschulden des Verstorbenen nicht in Ansatz zu bringen, während der Beklagte gemeint hat, zu 3/5 sei der Unfall auf einen Verstoß des Ehemannes der Klägerin zu 1) gegen das Sichtfahrgebot zurückzuführen.

Das LG hat den Klägern ein erneutes Schmerzensgeld i.H.v. 2.000 DM zugesprochen, wobei es Mitverschulden des Verstorbenen im Umfange von 1/3 wegen Unachtsamkeit berücksichtigt hat. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Einen Schmerzensgeldanspruch der Klägerin zu 1) aus eigenem Recht hat es verneint, weil nach der Aussage des Zeugen O., der die Klägerin zu 1) vom Sommer 1998 bis Februar 2000 als Psychologe betreut hat, davon ausgegangen werden müsse, dass das seelische Wohlbefinden der Klägerin zu 1) über die normale Trauerreaktion hinaus nicht beeinträchtigt worden sei und Behandlungsbedürftigkeit nicht bestanden habe.

Mit ihrer Berufung verfolgen die Kläger ihr erstinstanzliches Ziel weiter, wozu sie ihren Vortrag wiederholen und vertiefen. Sie halten daran fest, dass den Verstorbenen kein Unfallmitverschulden treffe. Darüber hinaus vertritt die Klägerin zu 1) mit ergänzenden Darlegungen den Standpunkt, auch aus eigenen Recht stehe ihr ein Schmerzensgeldanspruch zu.

Der Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung im Wesentlichen, zielt jedoch mit seiner Anschlussberufung auf eine Herabsetzung des von dem LG zuerkannten ererbten Schmerzensgeldes, weil das Mitverschulden des Verstorbenen 1/3 übersteige.

II. Die Berufung der Kläger hat zum Teil Erfolg. Die Anschlussberufung des Beklagten ist hingegen unbegründet.

1. Im Berufungsverfahren ist zwischen den Parteien außer Streit, dass den Klägern ein auf sie als Erben übergegangener Schmerzensgeldanspruch des Verstorbenen aus dem Unfall vom 9.5.1998 zusteht. Trotz des auf 1/3 zu veranschlagenden Mitverschuldens des Verstorbenen beträgt das angemessene Schmerzensgeld 5.000 DM, so dass den Klägern auf ihre Berufung weitere 3.000 DM zuzusprechen waren.

Der Verstorbene zog sich bei dem Unfall eine Schädelfraktur, eine Gesichtsschädelverletzung, ein Kompressionstrauma des linken Brustkorbes, eine HWS-Fraktur sowie eine Oberschenkelfraktur zu. Er wurde in seinem PKW eingeklemmt, aus dem er bis zu seinem Tode 30 Minuten nach dem Unfall nicht befreit werden konnte. Angesichts der Verletzungen muss davon ausgegangen werden, dass er ab dem Unfall bewusstlos war. Der Zeuge K. hat ihn zwar noch angesprochen. Anhaltspunkte dafür, dass der Verstorbene hierauf reagiert hat, ergeben sich aus der Aussage des Zeugen K. jedoch nicht. Unter Berücksichtigung aller Umstände einschließlich eines Mitverschuldens von 1/3 erscheint auch im Vergleich von Schmerzensgeldentscheidungen anderer Gerichte bei ähnlichen Sachverhalten ein Sc...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge