Verfahrensgang
LG Bielefeld (Aktenzeichen 15 O 107/17) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Einzelrichters der 15. Zivilkammer - 6. Kammer für Handelssachen - des Landgerichts Bielefeld vom 13. April 2021 abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten der Streithilfe trägt die Klägerin.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus diesem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte oder die Streithelferin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Gründe
A. Die Klägerin macht gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche wegen der Lieferung verunreinigter Trockenfrüchte geltend.
Die Klägerin ist Herstellerin von Vollwertmüslis sowie Frühstücks-Cerealien aus ökologischem Anbau. Die Insolvenzschuldnerin betrieb den Import und Handel mit Nüssen und Trockenfrüchten. Anfang Juni 2017 nahmen die Klägerin und die Schuldnerin Verhandlungen über die Lieferung von "Bio-Rosinen" (im Folgenden: Sultaninen) auf, die unter anderem Einzelheiten zur Durchführung der bei Bio-Produkten erforderlichen Entwesung, das heißt der Vernichtung tierischer Schädlinge, zum Gegenstand hatten. Die Entwesung sollte demnach durch sogenanntes Schockgefrieren bei einer Temperatur von - 28° C über die Dauer von 48 Stunden stattfinden. Mit Schreiben vom 6. Juni 2017 bestellte die Klägerin bei der Schuldnerin insgesamt 40.000 kg Sultaninen zu einem Gesamtpreis von 60.000 EUR netto und wies auf die Geltung ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) hin. § 8 der AGB der Klägerin (Anlage K2) lautet auszugsweise wie folgt:
"8. QUALITÄTSANFORDERUNGEN
Da bei der Anlieferung keine Eingangsprüfung hinsichtlich der Qualität stattfinden kann, sind wir von der unverzüglichen Prüfungs- und Rügepflicht befreit. Der Lieferant (Auftragnehmer) ist verpflichtet, unsere Spezifikationen einzuhalten. [...] Die spezifizierten Merkmale sind zugesichert.
Dem Auftraggeber obliegt es, die Ware innerhalb angemessener Frist auf etwaige Qualitäts- und Quantitätsabweichungen zu prüfen. Die Beschaffenheitsprüfung erfolgt grobsinnlich ohne chemische oder mikrobiologische Analysen. [...]."
Am selben Tag übersandte die Schuldnerin eine "Auftragsbestätigung", wonach die Sultaninen aus der Türkei importiert und mittels "Entwesung durch Schockgefrieren" behandelt werden sollten.
Die Schuldnerin ihrerseits bestellte die Sultaninen am selben Tag bei der in der Türkei ansässigen Streithelferin mit der Maßgabe, dass die Ware - wie mit der Klägerin besprochen - durch Schockgefrieren bei - 28° C über die Dauer von 48 Stunden zu entwesen sei. Die Streithelferin veranlasste zwischen dem 9. Juli und dem 11. Juli 2017 die Entwesung der Sultaninen und fertigte hierüber eine Dokumentation an (Anlagen B6 und B7 sowie Anlagen SV1 und SV2). Anschließend wurde die Ware im Wege des Streckengeschäfts direkt aus der Türkei an die Klägerin ausgeliefert. Eine eigene Überprüfung nahm die Schuldnerin nicht vor.
Nach Eintreffen der Sultaninen bei der Klägerin am 9. Juli 2017 unterzog die Klägerin jede der gelieferten Paletten am 10. August 2017 stichprobenartig einer Wareneingangsuntersuchung in Form einer Sichtkontrolle, die insbesondere in Bezug auf "lebende Tiere wie Käfer" beanstandungsfrei verlief. Anschließend lagerte die Klägerin die Ware ein und verarbeitete sie schließlich zwischen dem 21. August und dem 31. August 2017. Mit Email vom 1. September 2017 zeigte die Klägerin unter Bezugnahme auf ein vorangegangenes Telefonat mit der Schuldnerin einen Insektenbefall der Sultaninen an. Die weitere Verarbeitung stellte sie umgehend ein und rief bereits ausgelieferte Produkte, die von der Schuldnerin bezogene Sultaninen enthielten, zurück. Am 7. September 2017 fand ein Ortstermin bei der Klägerin statt, bei dem der vom Vermögensschadenhaftpflichtversicherer der Schuldnerin beauftragte Sachverständige sowohl an bereits aussortierten Sultaninen als auch an Sultaninen in bislang ungeöffneten Verpackungen einen Befall mit dem Getreideplattkäfer (Oryzaephilus surinamensis) feststellte. An Produkten anderer Lieferanten fand sich hingegen kein Insektenbefall. Der Gutachter schloss seine Untersuchungen mit der Vermutung ab, die von der Streithelferin stammenden Sultaninen seien schon vor ihrem Import mit Schädlingseiern behaftet gewesen, die sich bis zu ihrer Entdeckung durch die Klägerin zu sichtbaren adulten Käfern entwickelt hätten.
Nachdem der Versicherer eine Haftungsübernahme abgelehnt hatte, forderte die Klägerin - ohne Erfolg - zunächst die Schuldnerin zur Zahlung von insgesamt 151.201,08 EUR auf und bekräftigte ihren Rechtsstandpunkt mit anwaltlichem Schreiben vom 16. November 2017 gegenüber dem Versicherer.
Die Klägerin hat behauptet, die Sultaninen seien bereits vor ihrem Import mit lebenden Eiern des Getreideplattkäfers kontaminiert gewesen, da das Schockgefrieren be...