Verfahrensgang
LG Bielefeld (Urteil vom 22.07.2023; Aktenzeichen 3 O 35/22) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 22.07.2023 verkündete Urteil des Landgerichts Bielefeld wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
Dieses und das angefochtene Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung seitens der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit dem sog. Diesel-Abgas-Skandal.
Mit Kaufvertrag vom 04.01.2018 erwarb der Kläger einen gebrauchten VW Golf Sportsvan 2.0 TDI DSG Highline zum Preis von 23.970 EUR brutto. In dem Fahrzeug ist ein Motor vom Typ EA 288 (EU 6) verbaut. Der Kilometerstand zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages betrug 32.500 km. Bei Schluss der mündlichen Verhandlung betrug der Kilometerstand 93.254 km. Der Motor verfügt über eine Abgasrückführung (AGR) mit NOx-Speicherkatalysator (NSK). In die Motorsteuerung war eine prüfstandsbezogene Abschalteinrichtung einprogrammiert, die durch ein Software-Update am 26.02.2021 entfernt worden ist.
Der Kläger hat vorgetragen, im Fahrzeug seien mehrere unzulässige Abschalteinrichtungen vorhanden. Es handele sich dabei um eine sog. Zykluserkennung (Fahrkurven- und Lenkwinkelerkennung), die Verringerung der AdBlue-Einspritzung und ein sog. Thermofenster. Diese Einrichtungen seien verschleiert worden durch eine unzulässige Manipulation des On-Board- Diagnosesystems.
Dem ist die Beklagte entgegengetreten und hat vorgetragen, der Motor EA 288 sei umfassend vom Kraftfahrtbundesamt (KBA) untersucht worden, das keine Beanstandungen gehabt habe. Das KBA habe auch keine unzulässigen Abschalteinrichtungen festgestellt. Bei der sog. Fahrkurvenerkennung handele es sich nicht um eine unzulässige Abschalteinrichtung, da die maßgeblichen Grenzwerte auch bei Deaktivierung dieses Systems eingehalten werden. Das unstreitig verbaute Thermofenster lasse eine Abgasrückführung im Temperaturbereich von -24° - +70°C zu. Deshalb handele es sich nicht um eine unzulässige Abschalteinrichtung. Auch das KBA halte das Thermofenster für zulässig und habe deshalb auch keinen Rückruf angeordnet. Es drohe daher auch kein Stilllegungsrisiko für den Kläger.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf Schadensersatz. Ein Anspruch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gem. § 826 BGB scheide aus, weil bereits die Tatbestandswirkung der Typengenehmigung der Annahme entgegenstehe, dass der Motor mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet sei. Auch sei nicht ersichtlich, dass die Beklagte die Typengenehmigung arglistig erschlichen habe, denn das KBA habe den Motor umfassend überprüft. Der Beklagten sei allenfalls Fahrlässigkeit vorzuwerfen, nicht jedoch eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung. Gleichwohl bestehe kein Anspruch gem. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. den europarechtlichen Zulassungsvorschriften, da die EU-Vorschriften keinen Schutzgesetzcharakter hätten. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers. Zur Begründung trägt er vor, das Landgericht habe die Anforderung an die Substantiierung des Klägervortrages überspannt und hätte Beweis erheben müssen. Das Vorliegen einer bestandskräftigen Typengenehmigung sei unerheblich. Bei der Fahrkurvenerkennung handele es sich um eine unzulässige Abschalteinrichtung. Die Beklagte habe die Funktionsweise der Fahrkurvenerkennung und des Thermofensters gegenüber dem KBA nicht offengelegt. Auch bei dem Thermofenster handele es sich um eine unzulässige Abschaltvorrichtung. Das Onboard-Diagnose- System (OBD-System) sei falsch programmiert.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 22.07.2022 abzuändern und
1) die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 20.987,91 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeuges Golf Sportsvan 2.0 TDI DSG Highline, Fahrzeug-Ident.-Nr. ...
hilfsweise,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen in das Ermessen des Gerichts gestellten Schadensersatz, welcher jedoch mindestens 3.595,50 EUR (15% des Kaufpreises) beträgt, nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
2) festzustellen, dass die Beklagte sich mit der Entgegennahme des Fahrzeugs aus dem Antrag zu 1) in Annahmeverzug befindet.
3) die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerseite einen Betrag in Höhe von 1.295.43 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit...