Leitsatz (amtlich)
Zur Verkehrssicherungspflicht des Veranstalters eines Rockkonzerts und zum Mitverschulden, wenn ein Besucher bei so genannten Stage-diving zu Schaden kommt.
Normenkette
BGB § 823
Verfahrensgang
LG Bochum (Aktenzeichen 4 O 601/00) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels i.Ü. das am 16.5.2001 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des LG Bochum abgeändert.
Die Beklagte bleibt verurteilt, an die Klägerin 4.177,07 DM nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 28.12.2000 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin 2/3 der zukünftigen materiellen Schäden und den zukünftigen immateriellen Schaden unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens der Klägerin von 1/3 aus Anlass des Vorfalles vom 15.4. 2000 in B. zu ersetzen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des ersten Rechtszuges tragen die Klägerin 46 % und die Beklagte 54 %.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Es beschwert die Beklagte von 5.577,07 DM und die Klägerin um 2.699,53 DM.
Gründe
Die Klägerin verlangt Schadensersatz nach einem Unfall bei dem Besuch eines Rockkonzertes.
Am 15.4.2000 besuchte die Klägerin in B. das Rockkonzert der Gruppen … . Die Beklagte war Veranstalterin des Konzerts. Die Klägerin stand während des Konzertes etwa in der dritten Reihe unmittelbar vor der Bühne. Es gab keine Bühnenabsperrungen. Zwei Ordner sollen sich nach Behauptung der Beklagten hinter den Boxentürmen befunden haben. Im Laufe des Konzertes sprangen zwei Personen auf die Bühne, hielten sich dort kurz auf und sprangen anschließend von der Bühne in den Zuschauerraum (sog. stage diving). Die Klägerin erlitt eine Partellaluxation des rechten Kniegelenkes, eine Knorpelkontusion und eine Elongation des vorderen Kreuzbandes. Sie war bis zum 25.5.2000 arbeitsunfähig erkrankt.
Das LG hat Sachschaden i.H.v. 265,60 DM, ein Schmerzensgeld i.H.v. 6.000 DM sowie die Feststellung künftiger Ersatzpflicht ausgeurteilt. Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die geltend macht, keine Verkehrssicherungspflicht verletzt zu haben.
Die Berufung ist zum Teil begründet.
Die Klägerin kann von der Beklagten gem. §§ 823, 847, 254 BGB unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens von einem Drittel Schadensersatz i.H.v. 4.177,07 DM verlangen.
1. Die Beklagte als Veranstalterin des Rockkonzertes hat schuldhaft die ihr obliegende Verkehrssicherungspflicht verletzt. Als Veranstalterin des Konzertes traf sie die Pflicht, die Zuschauer möglichst vor Schäden zu bewahren. Da eine Verkehrssicherung, die jeden Unfall ausschließt, nicht erreichbar ist, muss nicht für alle denkbaren und entfernten Möglichkeiten eines Schadenseintrittes Vorsorge getroffen werden. Vielmehr sind nur diejenigen Vorkehrungen zu treffen, die nach den Sicherheitserwartungen des jeweiligen Verkehrs geeignet sind, Gefahren von Dritten abzuwenden (BGH v. 11.12.1984 – VI ZR 218/83, MDR 1985, 833 = NJW 1985, 1076).
Der Senat teilt die Auffassung des LG, dass bei Rockkonzerten „stage diving” durchaus häufig vorkommt. Die Beklagte selbst kennt ebenfalls dieses Problem, wie die von ihr vorgelegten Stellungnahmen zweier Konzertveranstalter belegen. Die Beklagte war verpflichtet, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um solches stage diving zu unterbinden. Welche Maßnahmen dabei im Einzelnen zu treffen sind, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. So kann es durchaus erforderlich sein, den Bühnenbereich durch Absperrgitter oder Barrieren, die in einem gewissen Abstand vor der Bühne aufgestellt sind, zu sichern. Möglicherweise können weitere Ordnungskräfte erforderlich sein, die im Bereich der Absperrgitter postiert sind. Es kann aber auch genügen, die Bühne allein durch eingriffsbereite Ordnungskräfte zu beaufsichtigen. Keinesfalls genügte es aber, dass sich zwei Ordnungskräfte – wie die Beklagte behauptet – hinter den Boxentürmen aufgehalten haben. Damit war voraussehbar, dass diese Ordnungskräfte den Bühnenbereich nicht aufmerksam im Blick haben konnten und – wie auch geschehen – zu spät eingreifen würden, um solches stage diving zu verhindern.
2. Der Klägerin fällt aber ein Mitverschulden bei der Entstehung des Schadens zur Last. Es fällt schon schwer zu glauben, dass der Klägerin, die noch nie ein Rockkonzert besucht haben will, ein solches stage diving gänzlich unbekannt war. Wie die Klägerin mit der Berufungserwiderung selbst vortragen lässt, ist solches stage diving bei Rockkonzerten üblich. Das soll auch für gemäßigte Rockgruppen gelten. Die Klägerin war mit ihrem Ehemann von Freunden zu dieser Veranstaltung eingeladen worden. Es erscheint wenig lebensnah, dass die Klägerin über den Ablauf eines solchen Konzertes nicht Bescheid gewusst haben will und auch nicht von ihren Freunden, die sie eingeladen hatten, darüber informiert worden ist.
Letztlich kann dies aber dahinstehen. Die Klägerin hat sich nah an der Bühne in dritter Reihe aufgehalten. Dies ist ein d...