Leitsatz (amtlich)

Zu den Voraussetzungen, unter denen eine Anwaltshaftungsklage gegen in Zürich ansässige Rechtsanwälte nach Art. 15 Abs. 1 lit. c) des Luganer Übereinkommens in die Zuständigkeit deutscher Gerichte fällt.

 

Normenkette

SchKG Art. 303 Abs. 2; LugÜ Art. 15 Abs. 1c

 

Verfahrensgang

LG Münster (Urteil vom 09.09.2015; Aktenzeichen 114 O 100/14)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 09.09.2015 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 114. Zivilkammer des LG Münster aufgehoben.

Die Sache wird zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das LG zurückverwiesen, das auch über die Kosten des Berufungsverfahrens zu entscheiden hat.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger macht gegen die in A ansässigen Beklagten Schadensersatz-ansprüche unter dem Gesichtspunkt der Anwaltshaftung geltend.

Dabei streiten die Parteien im Berufungsverfahren in erster Linie über die Frage, ob für die Regressklage die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichtsbarkeit gegeben ist. Das wurde vom LG durch Prozessurteil verneint.

Der Regressklage liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Kläger ist als beamteter Feuerwehrmann berufstätig. Er erzielte in der Vergangenheit Nebeneinkünfte als Architekt.

Der Kläger wurde 2005 zu Hause in N2 (Münsterland) von einem Vertriebsmitarbeiter der in A ansässigen N Vermögensverwaltung AG aufgesucht und schloss in der Folgezeit mehrere Verträge ab, durch die er Kapital in ein "Schweizer Vermögensaufbauprogramm" bzw. ein "Schweizer Sicherheitspaket für den Mittelstand" investierte.

Dafür nahm der Kläger von 2005 bis 2009 mehrere Bareinzahlungen von insgesamt 56.000,00 EUR auf ein in der Schweiz geführtes Konto der D T vor. Er versprach sich eine sichere und gewinnbringende Verwaltung des Kapitals durch die N AG, durch die er in den nächsten Jahren eine Rendite von 8 % p. a. erwirtschaften wollte.

Im Jahre 2009 entstanden beim Kläger Zweifel an einer ordnungsgemäßen Verwaltung der eingezahlten Beträge. Er kündigte die abgeschlossenen Verträge und bemühte sich in der Folgezeit um die Rückerlangung des eingezahlten Kapitals. Dabei musste er jedoch einen Kapitalverlust von 55.485,84 EUR hinnehmen.

Um wegen der gescheiterten Kapitalanlage Schadensersatzansprüche geltend zu machen, beauftragte der Kläger die in T2 ansässige Anwaltskanzlei seiner jetzigen Prozessbevollmächtigten. Diese hatten bereits in einer größeren Anzahl von Fällen die Vertretung weiterer Geschädigter der N AG übernommen.

Soweit dabei in der Vergangenheit Vollstreckungstitel erstritten worden waren, hatten die Prozessbevollmächtigten des Klägers für die Durchsetzung der titulierten Forderungen in der Schweiz mit dem Beklagten zu 1 zusammengearbeitet.

Der Beklagte zu 1 ist zusammen mit der Beklagten zu 2 seit 2002 Inhaber einer wirtschaftsrechtlich ausgerichteten Anwaltskanzlei, die in ihrem Internetauftritt unter www.xxxx-xxx.xxx Dienstleistungen u.a. auf den Gebieten "Wirtschaftskriminalität (national/international), Geschädigtenvertretungen, Internationales Konkursrecht" anbietet und darauf hinweist, dass natürliche Personen und Unternehmungen aus der Schweiz und dem Ausland vertreten würden. Es heißt dort weiter, die Anwälte seien vor allen Gerichten der Schweiz zugelassen und würden neben Deutsch und Englisch teilweise auch Französisch, Italienisch, Spanisch und Tibetisch sprechen.

Später - durch notariellen Vertrag vom 17.06.2011 - vereinbarten die Beklagten zu 1 und 2, ihre Anwaltstätigkeit in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft fortzuführen und gründeten aus diesem Anlass die Beklagte zu 3. In den Statuten der Beklagten zu 3 heißt es, dass sie unter der Firma U AG/U Attorneys-at-Law Ltd./U Avocats SA "Rechtsdienstleistungen im In- und Ausland" erbringt.

Im Streitfall verhielt es sich so, dass die Prozessbevollmächtigten des Klägers im Jahr 2010 vor dem LG Münster (8 O 115/10) eine Klage gegen die N AG sowie gegen deren Delegierten J, deren ehemaligen Präsidenten des Verwaltungsrates G und deren Verwaltungsrate G2 anhängig machten.

Diese Klage war auf Ersatz des nicht zurückgezahlten Kapitals von 55.485,84 EUR sowie auf den Ersatz entgangenen Gewinns von 5.351,33 EUR gerichtet.

Spätestens im Sommer 2010 wurde den Prozessbevollmächtigten des Klägers bekannt, dass über das Vermögen der N AG ein so genanntes Nachlassverfahren nach dem Schweizerischen Bundesgesetz über Schuldbeitreibung und Konkurs (SchKG) anhängig war, das der Schuldensanierung dient. Im Rahmen dieses Nachlassverfahrens war der N AG durch gerichtlichen Beschluss im Oktober 2010 eine Nachlassstundung gewährt worden, die die Wirkung einer Vollstreckungs- und Verwertungssperre hatte.

Zwischen den Prozessbevollmächtigten des Klägers und dem Beklagten zu 1 wurde daraufhin korrespondiert, ob dessen Anwaltskanzlei nicht auch für die vertretenen Geschädigten der N AG im Nachlassverfahren tätig werden könnte.

Für eine entsprechende Mandatserteilung setzte der Beklagte zu 1 am 03.01.2011 ein an "die geschädigten Kunden...

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