Leitsatz (amtlich)
1. Nach Rücknahme des Mahnantrags richtet sich der Streitwert des Weiteren Verfahrens nur noch nach dem Kosteninteresse der Parteien.
2. Wird der Rechtsanwalt des Beklagten erst nach Rücknahme des Mahnantrags tätig, so richten sich seine Gebühren nach dem reduzierten Streitwert (Kosteninteresse). Das gilt - zumindest in der Regel - auch dann, wenn der Anwalt zunächst davon ausging, die Hauptsache sei noch anhängig, weil er von der Rücknahme des Mahnantrags noch keine Kenntnis hatte.
3. Schaltet der Beklagte erst nach Klagerücknahme (bzw. Rücknahme des Mahnantrags) einen Rechtsanwalt ein, so können die Anwaltskosten trotzdem notwendig i.S.v. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO sein, wenn der Beklagte zur Zeit des Auftrags an seinen Anwalt noch keine Kenntnis von der Klagerücknahme (bzw. Rücknahme des Mahnantrags) hatte.
Verfahrensgang
LG Mannheim (Beschluss vom 15.09.2006; Aktenzeichen 3 O 262/06) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des LG Mannheim vom 15.9.2006 - 3 O 262/06 - in Ziff. 2 (Streitwertfestsetzung) wie folgt abgeändert:
Der Streitwert des Mahnverfahrens wird auf 142.030,35 EUR festgesetzt für die Zeit bis zum 10.1.2006. Für die Zeit ab dem 11.1.2006 wird der Wert des Verfahrens auf 5.000 EUR festgesetzt.
2. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Mannheim vom 26.10.2006 - 3 O 262/06 - wie folgt abgeändert:
Auf Grund des rechtskräftigen Beschlusses des LG Mannheim vom 15.9.2006 sind an Kosten zu erstatten: 477,11 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuchs seit 15.9.2006 von dem Kläger an die Beklagte.
Der weiter gehende Festsetzungsantrag der Beklagten wird zurückgewiesen.
3. Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde des Klägers zurückgewiesen.
4. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.413,38 EUR festsetzt.
5. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen der Kläger zu 1/5 und die Beklagte zu 4/5.
6. Die Rechtsbeschwerde wird wegen der sofortigen Beschwerde gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss für die Beklagte zugelassen.
Gründe
I. Am 17.1.2005 hat das AG N. auf Antrag des Klägers einen Mahnbescheid gegen die Beklagte über 142.030,35 EUR nebst Zinsen erlassen. Gegen diesen Mahnbescheid hat die Beklagte am 28.1.2005 - zu diesem Zeitpunkt nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten - Widerspruch eingelegt. Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 6.1.2006 - eingegangen beim AG N. am 11.1.2006 - hat der Kläger die Rücknahme des Antrags auf Erlass des Mahnbescheides erklärt. Die Beklagte hat von diesem Schriftsatz zunächst kein Doppel erhalten.
Mit Schriftsatz vom 14.3.2006 hat die Beklagte - nunmehr vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten - ggü. dem AG N. die Abgabe des Mahnverfahrens an das im Mahnbescheid bezeichnete Gericht und die Durchführung des streitigen Verfahrens beantragt. Das AG N. hat daraufhin der Beklagten die Rücknahme des Mahnantrags durch Übersendung einer Schriftsatzkopie mitgeteilt. Antragsgemäß hat das Mahngericht im Übrigen das Verfahren zur Durchführung des streitigen Verfahrens an das LG Mannheim abgegeben.
Mit Beschluss vom 15.9.2006 hat das LG Mannheim den Streitwert für das Verfahren auf 142.030,35 EUR festgesetzt und außerdem die Kosten des Rechtstreits - im Hinblick auf die Rücknahme des Mahnantrags - dem Kläger auferlegt. Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 26.10.2006 hat sodann die Rechtspflegerin des LG Mannheim die vom Kläger an die Beklagte zu erstattenden Kosten - antragsgemäß - auf 2.413,38 EUR nebst Zinsen festgesetzt. Hierbei handelt es sich um die von der Beklagten geltend gemachten Kosten ihres Rechtsanwalts, wobei eine 1,3-Verfahrensgebühr gem. Nr. 3100 RVG-VV aus einem Streitwert von 142.030,35 EUR angesetzt ist.
Der Kläger wendet sich gegen die Streitwertfestsetzung mit der Beschwerde und gegen die Kostenfestsetzung mit der sofortigen Beschwerde. Er ist der Auffassung, der Streitwert des Mahnverfahrens könne ab dem Zeitpunkt der Rücknahme des Mahnantrags (11.1.2006) nur noch mit dem Kosteninteresse bewertet werden, welches bei maximal 5.000 EUR liege. Zu erstattende Gebühren des Anwalts der Beklagten seien - allenfalls - aus diesem Wert zu berechnen, da der Anwalt der Beklagten erst nach der Rücknahme des Mahnantrags tätig geworden sei. Im Übrigen komme eine Festsetzung der Anwaltskosten der Beklagten generell nicht in Betracht, da die Tätigkeit des Anwalts der Beklagten zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung nicht notwendig gewesen sei. Die Beklagte hätte durch einen Telefonanruf beim Klägervertreter oder beim Gericht erfahren können, dass der Mahnantrag zurückgenommen worden sei. Ein Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens durch den Anwalt der Beklagten sei zur Wahrnehmung ihrer Interessen nicht geboten gewesen.
Der Einzelrichter des LG Mannheim hat mit Beschluss vom 5.3.2007 der Streitwertbeschwerde nicht abgeholfen. Eine Grundlage für die begehrte Reduzierung des Gebührenstreitwerts sei nicht ersichtlich. ...