Leitsatz (amtlich)
Bei der Ersetzung der Einwilligung eines Ehegatten zur Annahme eines volljährigen Kindes durch den anderen Ehegatten können entgegenstehende berechtigte Interessen im Sinne des § 1749 Abs. 1 Satz 3 BGB auch vermögensrechtlicher Natur sein.
Verfahrensgang
AG Überlingen (Aktenzeichen 2 F 15/21) |
Tenor
I. Auf die Beschwerde der Ehefrau wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Überlingen vom 10.11.2021 abgeändert und in Ziffer 1 und 2 des Tenors wie folgt neu gefasst:
1. Der Antrag des Antragstellers auf Ersetzung der Einwilligung seiner Ehefrau in die Adoption von M. und A. wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Gegenstand des Verfahrens ist die Ersetzung der Einwilligung der Ehefrau des Antragstellers in eine Adoption.
Herr W. und Frau W. sind seit 1981 miteinander verheiratet.
Aus der Ehe sind die zwischenzeitlich volljährigen Kinder T., wohnhaft im Libanon, und B., wohnhaft in Australien, hervorgegangen.
Die Ehegatten leben seit dem Jahr 2011 getrennt. Im Juli 2012 stellte die Ehefrau einen Ehescheidungsantrag in Polen. Mit Urteil des Bezirksgerichts D. vom 01.12.2022 wurde die Ehescheidung ausgesprochen und das Verfahren hinsichtlich der Zuerkennung von Unterhalt zu Gunsten der Beteiligten in Anbetracht der Rücknahme der Unterhaltsforderungen eingestellt. Gegen diese Entscheidung hat die Ehefrau am 07.03.2023 Berufung eingelegt.
Die Ehegatten waren zunächst jeweils hälftige Eigentümer eines Wohn- und Geschäftshauses in P. Die Immobilie hat ca. 1.200 qm Wohn- und Nutzfläche auf einem Grundstück von 1.212 qm am Wasser mit eigenem Bootssteg. Der Antragsteller schätzt den heutigen Wert der Immobilie auf mindestens 8.000.000 EUR.
Im Jahr 2003 übertrugen die Ehegatten die Immobilie auf ihre Kinder T. und B. Für die erste Etage wurde den Ehegatten ein gemeinsames dingliches Wohnrecht gemäß § 1093 BGB eingeräumt. Beide Ehegatten haben ihre Hauptwohnung nicht in dieser Etage; sie haben jedoch die Möglichkeit der Nutzung.
Die Ehefrau besitzt in Polen Immobilien in G., W. und I.
Der Antragsteller hat gemäß seiner Aufstellung für das Adoptionsverfahren Vermögen in Höhe von 5.278.500 EUR.
Zwischenzeitlich lebt der Antragsteller mit Frau R. zusammen, die aus einer Beziehung mit Herrn R. zwei Kinder hat, M. und A. Beide Kinder sind verheiratet.
Mit notariellem Antrag vom 30.07.2020 beantragt der Antragsteller beim Familiengericht Überlingen die Annahme von M. und von A. als Kinder von ihm im Wege einer Volljährigenadoption auszusprechen.
Da die Ehefrau des Antragstellers der Annahme nicht zustimmt, beantragt der Antragsteller im vorliegenden Verfahren mit Anwaltsschriftsatz vom 19.01.2021, die Zustimmung seiner Ehefrau in die Adoption von M. und A. zu ersetzen.
Er ist der Auffassung, dass der Einwilligung keine berechtigten Interessen der Ehefrau entgegenstehen. Die Ehe sei nur wegen Verzögerungen seiner Ehefrau noch nicht rechtskräftig geschieden. Die Wohnung in P. sei nicht tangiert, da weder er noch die Ehefrau beabsichtigen würden, diese Wohnung in Zukunft zu nutzen.
Die Ehefrau tritt dem Antrag entgegen. Sie ist der Ansicht, dass der Einwilligung vermögensrechtliche Interessen entgegenstehen. Die Vermögensauseinandersetzung der Ehegatten sei noch nicht abgeschlossen. Aufgrund der steuerlichen Erleichterungen bestehe die Gefahr, dass der Antragsteller Vermögen auf die Anzunehmenden verschiebe. Die Anzunehmenden könnten das Wohnrecht nutzen, was das Wohnrecht der Ehefrau massiv beeinträchtigen würde. Eine Adoption tangiere auch die Pflichtteilsansprüche der ehelichen Kinder. Letztlich sei das Ersetzungsverfahren bereits unzulässig, da die sonstigen Voraussetzungen für die Adoption nicht vorliegen.
Daraufhin räumt der Antragsteller ein, dass das Vermögen der Ehefrau in Polen noch nicht auseinandergesetzt ist.
Nach persönlicher Anhörung des Antragstellers und seiner Ehefrau hat das Amtsgericht - Familiengericht - Überlingen mit Beschluss vom 10.11.2021 die Zustimmung der Ehefrau in die Adoption ersetzt.
Gegen diese der Ehefrau am 15.11.2021 zugestellte Entscheidung wendet sich die Ehefrau mit ihrer am 26.11.2021 beim Amtsgericht Überlingen eingegangenen Beschwerde.
Der Antragsteller tritt der Beschwerde entgegen.
Dem Senat liegt die Adoptionsakte des Amtsgerichts Überlingen vor.
Beim Amtsgericht G., Polen, ist ein Verfahren betreffend die Aufteilung des gemeinsamen beweglichen Vermögens anhängig.
Die Klage der Ehefrau von Mai 2019 auf Ungültigerklärung der Ehe wurde vom Bezirksgericht D. mit Urteil vom 22.06.2022 abgewiesen.
Für die Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II. 1. Die Beschwerde der Ehefrau ist gemäß § 58 ff. FamFG zulässig, insbesondere statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt.
2. Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg und führt zur Abänderung der angefochtenen Entscheidung und Abweisung d...