Leitsatz (amtlich)
1. Ein formwirksames Testament verlangt keine einheitliche Errichtungshandlung und kann auch aus nicht miteinander verbundenen Blättern bestehen, wenn deren Zusammengehörigkeit erkennbar ist.
2. Der Testierende kann früher von ihm Geschriebenes zu seinem nunmehr gewollten Testament vollenden, ohne dass es darauf ankommt, ob er die früheren Teile von vornherein in Testierabsicht oder zu einem anderen Zwecke niedergeschrieben hatte.
3. Ein formwirksames Testament kann auch dadurch hergestellt werden, dass der Testierende die Fotokopie eines von ihm eigenhändig geschriebenen unvollständigen Textes eigenhändig ergänzt.
Verfahrensgang
LG Freiburg i. Br. (Aktenzeichen 4 T 190/01) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Beteiligten Nr. 1 wird der Beschluss des LG Freiburg vom 27.9.2001 – 4 T 190/01 – aufgehoben.
2. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an das Notariat – Nachlassgericht – Breisach zurückverwiesen.
3. Der Geschäftswert wird für das Verfahren der weiteren Beschwerde auf 150.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I. 1. Die Erblasserin I.W. ist am 27.8.1999 im Alter von 90 Jahren in Breisach verstorben. Sie war ledig und kinderlos, Eltern und Geschwister waren vorverstorben. Die Beteiligte Nr. 1 ist die Enkelin einer Schwester der Mutter der Erblasserin; der Beteiligte Nr. 2 ist der Sohn eines Bruders der Erblasserin.
Mit notariellem Testament vom 31.5.1988 hatte die Erblasserin den Beteiligten Nr. 2 zum Alleinerben eingesetzt und zu Gunsten seines Sohnes H.W. ein mit öffentlicher Urkunde vom 17.9.1996 erweitertes Vermächtnis angeordnet (I, Beilagen).
Die Beteiligte Nr. 1 nimmt für sich in Anspruch, infolge Erbeinsetzung Alleinerbin der Erblasserin geworden zu sein und hat mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten Rechtsanwältin K. – diese war Vermögensbetreuerin der Erblasserin gewesen – vom 30.5.2000 (I 13/19) die Erteilung eines entsprechenden Erbscheins beantragt. Als Anlagen A 1, A 3 und A 4 waren dem Antrag beigefügt die Fotokopien zweier jeweils für sich wie auch in ihrer Zusammensetzung unvollständiger handschriftlicher Schriftstücke (A 3 und A 4), sowie die handschriftlich ergänzte Fotokopie (A 1) einer Zusammensetzung der beiden den Anlagen A 3 und A 4 zugrundeliegenden Originale oder deren Fotokopien.
Der Text der Anlage A 3 lautet:
„21.11.97
Ich I.W. gebe hinterlasse mein Vermögen nach meinem Tod”;
Anlage A 4 trägt lediglich den Schriftzug
„I.W.”
sowie – auf den Kopf gestellt – die Buchstabenfolge „We”.
Die vorgelegte Fotokopie A 1 war durch ein weiteres Datum „10.8.98”, durch den Namenszug „M.S.” sowie durch den Namenszug „I.W.” in der Weise ergänzt worden, dass folgender Text entstand:
„21.11.97
10.8.98
Ich I.W. gebe hinterlasse mein Vermögen nach meinem Tod M.S.
I.W.
I.W.”
Gegenüber dem Nachlassgericht hat die Beteiligte Nr. 1 durch Rechtsanwältin K. vortragen lassen, bei der Anlage A 1 handele es sich um ein in zwei Etappen zu Gunsten der Beteiligten Nr. 1 errichtetes Testament, das formell und materiell voll wirksam sei. Auf dem der Anlage A 4 zugrundeliegenden Original habe die Erblasserin vor Abfassung des Textes nach Anlage A 3 den Kugelschreiber ausprobiert und ihre Unterschrift geübt gehabt. Die von der Beteiligten Nr. 1 gefertigte Fotokopie – die Originale waren auf Veranlassung der Beteiligten Nr. 1 von Rechtsanwältin K. in Verwahrung genommen worden – habe die Erblasserin im August 1998 in der dargestellten Weise durch Datum, Namen der Bedachten und Unterschrift ergänzt.
2. Das Nachlassgericht hat den Antrag der Beteiligten Nr. 1 auf Erteilung eines Erbscheins zu ihren Gunsten mit Beschl. v. 17.11.2000 (I 49/55) mit der Begründung zurückgewiesen, das vorgelegte zusammenkopierte und dann ergänzte Schriftstück erfülle nicht die Form eines eigenhändigen Testaments nach § 2247 BGB. Ausdrücklich offen gelassen hat das Nachlassgericht die sich angesichts der unterschiedlichen Schriftbilder der einzelnen Textteile stellende Frage, ob die auf der von der Beteiligten Nr. 1 vorgelegten zusammengesetzten Fotokopie vorgenommenen Ergänzungen überhaupt von der Erblasserin stammen.
3. Dagegen hat die Beteiligte Nr. 1 unter dem 30.5.2001 Beschwerde eingelegt (I 87), die sie mit Anwaltsschriftsatz vom 10.9.2001 (II 9/13) unter Vorlage der den Fotokopien A 3 und A 4 zugrundeliegenden Urschriften (II 15 und II 17) begründet hat. Sie hat nunmehr die Auffassung vertreten, die Schriftstücke A 1 und das Original der Fotokopie A 3 seien zusammen als ein eigenhändiges Testament gem. § 2247 BGB anzusehen.
Mit Beschl. v. 27.9.2001 (II 19/29) hat das LG die Beschwerde der Beteiligten Nr. 1 zurückgewiesen, ihr die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens sowie etwaige dem Beteiligten Nr. 2 im Beschwerdeverfahren entstandene außergerichtliche Kosten auferlegt und den Beschwerdewert auf 1 Mio. DM festgesetzt.
Zur Begründung hat das LG ausgeführt, das als Anlage A 1 vorgelegte Schriftstück stelle kein wirksames Testament dar, weil es zum überwiegenden Teil a...