Entscheidungsstichwort (Thema)
Öffentliche Aufforderung an Erbberechtigte; Amtsermittlungspflicht des Nachlassgerichts
Leitsatz (amtlich)
1. Fordert das Nachlassgericht einen namentlich bezeichneten Erbberechtigten im Wege der öffentlichen Aufforderung zur Anmeldung seiner Erbrechte auf, so müssen die dabei mitgeteilten persönlichen Angaben - soweit bekannt - zutreffend wiedergegeben werden. Anderenfalls kann der Erbschein nicht ohne Berücksichtigung des Aufgeforderten erteilt werden.
2. Zum Umfang der Amtsermittlungspflicht bei Vorlage bedeutsamer amtlicher Urkunden in französischer Sprache durch einen berufsmäßigen Erbenermittler.
Normenkette
BGB §§ 1925, 2358, 2361; FamFG §§ 58, 433, 487; BWLFGG § 41
Verfahrensgang
Notariat Lahr (Beschluss vom 21.07.2011; Aktenzeichen 1 NG 141/2009) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Beteiligten Ziff. 1 wird der Beschluss des Notariats 1 -Nachlassgericht- Lahr vom 21.7.2011 (1 NG 141/2009) aufgehoben. Das Nachlassgericht Lahr wird angewiesen, den Erbschein vom 14.10.2010 auf Ableben des C. A. A., verstorben am 24.5.2009 in L., einzuziehen.
2. Die Gerichtskosten trägt die Beteiligte Ziff. 2, Auslagen werden nicht erstattet.
3. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf EUR 24.000 festgesetzt.
Gründe
I. Mit der Beschwerde wendet sich der Beteiligte Ziff. 1 gegen die Zurückweisung seines Antrags auf Erbscheinseinziehung.
Der am 24.5.2009 unverheiratet und kinderlos verstorbene C. A. A. (Erblasser) war der Sohn des Ab d.A. (später auch unter dem Namen Ar. aufgetreten) und der am 5.5.2004 vorverstorbenen R. T. U., geb. K.. Der Beteiligte Ziff. 1 ist der am 6.9.2006 geborene Sohn des Ab d.A. und der S. B.. Die Beteiligte Ziff. 2 ist die am 26.2.1972 geborene Tochter der R. T. U.. Ein weiterer Sohn der R. T. U., P. U., hat die Erbschaft ausgeschlagen. Eine letztwillige Verfügung des Erblassers ist nicht bekannt.
Unter dem 4.2.2010 (AS 103) veranlasste das Nachlassgericht eine öffentliche Aufforderung an den Vater des Erblassers, dessen Aufenthalt unbekannt ist, sich beim Nachlassgericht zu melden, anderenfalls er bei der Erteilung eines Erbscheins nicht berücksichtigt werde. Dabei wurde der Vater als "Ahm. A., weitere Personendaten nicht bekannt und derzeit unbekannten Aufenthalts" bezeichnet. Auf die öffentliche Aufforderung meldete sich der berufsmäßige Erbenermittler M. und legte mit Schreiben vom 26.8.2010 beglaubigte Abschriften zweier Heiratsurkunden des Vaters des Erblassers und einer Geburtsurkunde des Beteiligten Ziff. 1, alle in französischer Sprache, vor. Der Nachlassrichter forderte den Erbenermittler auf, die Urkunden in deutscher Übersetzung vorzulegen.
Bereits am 25.8.2010 war ein Erbscheinsantrag des Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten Ziff. 2 eingegangen, wonach diese als alleinige Erbin mit Erbteil 1/1 auszuweisen sei. Mit Beschluss vom 14.10.2010 hat das Nachlassgericht die zur Erteilung des Erbscheins erforderlichen Tatsachen wie beantragt festgestellt und die Erteilung einer Ausfertigung des Erbscheins an die Beteiligte Ziff. 2 veranlasst.
Mit Schreiben vom 1.4.2011 hat der Erbenermittler unter Vorlage einer Vollmacht der Mutter die Vertretung des minderjährigen Beteiligten Ziff. 1 angezeigt und mit weiterem Schreiben vom 3.5.2011 die Einziehung des Erbscheins vom 14.10.2010 beantragt. Nach weiterem Schriftwechsel hat das Nachlassgericht den Antrag mit Beschluss vom 21.7.2011 zurückgewiesen und der dagegen am 5.8.2011 eingelegten Beschwerde des Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten Ziff. 1 mit weiterem Beschluss vom 8.8.2011 nicht abgeholfen.
II. Das Rechtsmittel des Beteiligten Ziff. 1 ist statthaft (§ 58 FamFG) und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere ist der Beteiligte Ziff. 1 als möglicher (Mit-)Erbe beschwerdebefugt.
Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Nach § 2361 Abs. 1 BGB hat das Nachlassgericht einen erteilten Erbschein einzuziehen, wenn sich ergibt, dass dieser unrichtig ist. Das ist hier der Fall, weil die Beteiligte Ziff. 2 nicht (Allein-)Erbin mit Erbteil 1/1 geworden ist und der Erbschein nicht hätte erteilt werden dürfen.
1. Zu Recht ist das Nachlassgericht in Ermangelung einer letztwilligen Verfügung des Erblassers von der gesetzlichen Erbfolge und davon ausgegangen, dass wegen fehlender Abkömmlinge des unverheirateten Erblassers zunächst dessen Eltern zu gleichen Teilen zur Erbfolge berufen sind (§ 1925 Abs. 1 und 2 BGB). Da die Mutter R. T. U. vorverstorben ist, treten ihre weiteren Kinder, die Beteiligte Ziff. 2 und deren Halbbruder P. U., an ihre Stelle (§ 1925 Abs. 3 BGB). Nach der Ausschlagung des kinderlosen P. U. fällt der auf die Mutter entfallende hälftige Erbteil gänzlich an die Beteiligte Ziff. 2.
2. Die Beteiligte Ziff. 2 ist aber nicht Erbin des auf den Vater Ab d.A. des Erblassers entfallenden hälftigen Erbteils geworden.
a) Das Nachlassgericht durfte Ab d.A. bei der Erteilung des Erbscheins nicht unberücksichtigt lassen. Die Beteiligte Ziff. 2 hat dessen Wegfall, etwa wegen Vorversterbens, nicht nachgewiesen. Da...