Leitsatz (amtlich)
§ 35 FamFG gibt dem Gericht nicht die Befugnis, einem Beteiligten Verpflichtungen beliebigen Inhalts aufzuerlegen und diese durch Zwangsmittel zu erzwingen.
Verfahrensgang
Notariat Karlsruhe (Beschluss vom 23.02.2016; Aktenzeichen 7 NG 213/15) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Notariats 7 Karlsruhe vom 23.2.2016, Az. 7 NG 213/2015, aufgehoben.
Gründe
I. Der Beschwerdeführer begehrt die Aufhebung eines gegen ihn vom Nachlassgericht verhängten Zwangsgelds.
Er ist der Sohn der Erblasserin und ihr testamentarischer Alleinerbe. Durch Verfügung vom 5.5.2015 wurde er vom Nachlassgericht gebeten, die Anschriften seiner Geschwister K. und T. mitzuteilen. Mit Schreiben vom 1.12.2015 erinnerte das Nachlassgericht an die Mitteilung der Anschriften und drohte die Verhängung eines Zwangsgelds gemäß § 35 FamFG an. Durch Beschluss vom 23.2.2016 verhängte das Nachlassgericht gemäß § 35 FamFG ein Zwangsgeld von 250 Euro gegen den Beschwerdeführer und begründete dies mit der unterlassenen Adressenmitteilung. Die Rechtsbehelfsbelehrung des Beschlusses enthält hinsichtlich der Beschwerdefrist folgende Formulierung:
"Die Frist zur Einlegung beträgt einen Monat. Sie beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses an die Beteiligten."
Der Beschluss wurde dem Beschwerdeführer am 27.2.2016 zugestellt.
Mit beim Nachlassgericht am 17.3.2016 eingegangenem Schreiben legte der Beschwerdeführer "Widerspruch" gegen den Zwangsgeldbescheid ein, entschuldigte seine bislang unterbliebene Antwort mit gesundheitlichen Problemen und gab an, dass seine Mutter und er schon teilweise 20-30 Jahre keinen Kontakt zu seinen Schwestern gehabt hätten. Er nannte zwei Adressen als Ergebnis seiner Recherchen und bat um Aufhebung des Zwangsgelds.
Durch Beschluss vom 27.4.2016 erklärte das Nachlassgericht ohne weitere Begründung, der sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers nicht abzuhelfen.
II. Der am 17.3.2016 beim Nachlassgericht eingegangene "Widerspruch" des Beschwerdeführers ist als Beschwerde auszulegen und führt zur Aufhebung des Beschlusses des Nachlassgerichts.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
a) Die unzureichende Durchführung des Abhilfeverfahrens durch das Nachlassgericht hindert das Beschwerdegericht nicht an einer Sachentscheidung.
Ist wie hier die Beschwerde mit einer Begründung eingereicht worden, hat das Ausgangsgericht zu einer ordnungsgemäßen Durchführung des Abhilfeverfahrens die mit der Beschwerdebegründung vorgebrachte neuen Tatsachen zu prüfen (Keidel/Sternal, FamFG 18. Aufl. § 68 Rn. 11). Die Abhilfeentscheidung hat durch Beschluss zu ergehen (BGH, NVwZ 2011, 127 Rn. 18; Abramenko in Prütting/Helms, FamFG § 68 Rn. 9; Keidel/Sternal, FamFG 18. Aufl. § 68 Rn. 12), wobei Beschlüsse nach § 38 Absatz 3 Satz 1 FamFG zu begründen sind. Daraus folgt, dass sich die Begründung des Nichtabhilfebeschlusses konkret mit den neu vorgebrachten Tatsachen und der Gegenargumentation der Beschwerdebegründung befassen und erkennen lassen muss, warum das Gericht gleichwohl bei seiner Entscheidung bleibt (OLG Hamm, FGPrax 2010, 323; OLG Düsseldorf, FamRZ 2006, 1551). Dies ist vorliegend nicht geschehen. Das Beschwerdegericht kann dennoch in der Sache entscheiden, da Mängel des Abhilfeverfahrens der Durchführung des Beschwerdeverfahrens nicht entgegenstehen (BGH, Beschluss vom 17.6.2010 - V ZB 13/10, juris Rn. 11; OLGR Celle 2009, 626; Keidel/Sternal, FamFG 18. Aufl. § 68 Rn. 34).
b) Die mangelnde Einhaltung der Beschwerdefrist von zwei Wochen ab Zustellung der angefochtenen Entscheidung gemäß § 35 Absatz 5 FamFG, § 569 Absatz 1 ZPO steht der Zulässigkeit der Beschwerde nicht entgegen, da dem Beschwerdeführer im Hinblick auf die vom Nachlassgericht fehlerhaft erteilte Rechtsbehelfsbelehrung gemäß §§ 17, 18 Absatz 3 Satz 3 FamFG ohne Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren war.
Ein förmlicher Wiedereinsetzungsantrag ist entbehrlich, wenn die Wiedereinsetzungsgründe nach dem Akteninhalt offenkundig sind (KGR Berlin 1993, 154). Die - wie hier erfolgte - verspätete Einreichung einer Rechtsmittelschrift ist zugleich als Wiedereinsetzungsantrag zu betrachten (BGHZ 63, 389, 392 f.). Aus dem Akteninhalt geht hervor, dass die vom Nachlassgericht erteilte Rechtsbehelfsbelehrung falsch ist, weil sie statt der Zwei-Wochen-Frist des § 35 Absatz 5 FamFG, 569 Absatz 1 ZPO die Beschwerdefrist des § 63 Absatz 1 FamFG nennt, und das Rechtsmittel binnen der unzutreffend mitgeteilten Frist von einem Monat beim Nachlassgericht eingegangen ist. Die fehlerhafte Belehrung führt dazu, dass nach § 17 Absatz 2 FamFG vermutet wird, dass der Adressat ohne Verschulden an der Einhaltung der gesetzlichen Frist verhindert war (BGH, FamRZ 2010, 1425 Rn. 10 ff.). Ist wie hier der Beschwerdeführer nicht anwaltlich vertreten und gibt es - insbesondere mit Blick auf die terminologisch unrichtige Bezeichnung des zulässigen Rechtsbehelfs als "Widerspruch" statt Beschwerde - keine Anhaltspunkte für eigene juristische Sachken...