Entscheidungsstichwort (Thema)
Unbegründete Ablehnung eines Beweisantrages zur Identitätsprüfung bei Blutalkoholmessung. zweifelhafte Sachkunde des Gerichts bei Abweichungen zwischen Atem- und Blutalkoholmessung
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Behauptung des Verteidigers, die im verlesenen Blutalkoholgutachten festgestellte Blutalkoholkonzentration könne angesichts einer zeitnahen Atemalkoholmessung nicht zutreffen, zielt in erster Linie darauf, die Unvereinbarkeit beider Messergebnisse unter Zugrundelegung der Umstände des Falles sachverständig belegen zu lassen und gegebenenfalls auf eine Überprüfung, ob das Blut, das dem Gutachten zugrunde liegt, mit dem des Angeklagten identisch ist oder ob bei der Blutprobenauswertung etwaige Fehler aufgetreten sind.
2. Die Vereinbarkeit der Messergebnisse von Blut- und Atemalkohol bei Abweichungen von mehr als umgerechnet 0,4 Promille beinhaltet schwierige medizinische Fragen, die im Regelfalle die Sachkunde eines Richters übersteigen und nur durch einen ausgebildeten Experten zutreffend beurteilt werden können.
Verfahrensgang
AG Bad Säckingen (Aktenzeichen 7 Cs 24 Js 635/02) |
Gründe
I.
Das Amtsgericht Bad Säckingen hat den Angeklagten wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je EURO 35 verurteilt, dem Angeklagten die Fahrerlaubnis entzogen und der Verwaltungsbehörde auferlegt, ihm vor Ablauf von fünf Monaten keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen. Nach den getroffenen Feststellungen hatte der Angeklagte am 26.01.2002 gegen 3.05 Uhr mit seinem Kraftfahrzeug in L. am öffentlichen Straßenverkehr teilgenommen, obwohl er nicht mehr fahrtüchtig gewesen sei. Die ihm um 3.40 Uhr entnommene Blutprobe habe eine BAK von 1,81 Promille im Mittel ergeben, wohingegen die um 3,25 Uhr vorgenommene Atemalkoholmessung eine AAK von 0,64 mg/l aufgewiesen habe.
Hiergegen wendet sich das Rechtsmittel des Angeklagten, mit welchem er die Verletzung formellen und materiellen Rechts beanstandet.
II.
Die Revision hat mit der Rüge der fehlerhaften Ablehnung eines Beweisantrags Erfolg.
Der Verteidiger hat im Rahmen seines Schlussvortrags die Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsache beantragt, dass die BAK des Angeklagten um 3.40 Uhr nicht (gemeint: weniger als) 1,81 %o betragen habe. Er bestritt damit die Zuverlässigkeit des Ergebnisses des in der Hauptverhandlung verlesenen Blutalkoholgutachtens und berief sich hierzu darauf, dass eine Atemalkoholmessung um 3.25 Uhr eine Atemalkoholkonzentration von 0,64 mg/l ergeben habe. Beide Ergebnisse seien miteinander unvereinbar.
Das Amtsgericht hat diesen Antrag im Urteil - unter Hinweis auf § 244 Abs. 4 S. 2 StPO - abgelehnt, weil das Gegenteil der Beweisbehauptung bereits durch das Blutalkoholgutachten bewiesen sei und - unter Heranziehung eigener Sachkunde - ein Widerspruch zwischen gemessener Atemalkoholkonzentration und Blutalkoholkonzentration nicht bestehe.
Diese Behandlung des Beweisantrags begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Das Amtsgericht durfte ohne nähere Abklärung durch Nachfrage beim Antragsteller nicht davon ausgehen, dass der Verteidiger mit seinem Hinweis auf die Atemalkoholkonzentration den Beweiswert der Blutalkoholmessung generell zu Gunsten einer Atemalkoholmessung in Zweifel ziehen wollte. Das erschiene im Hinblick auf den Diskussionsstand zur Verlässlichkeit beider Messmethoden auch wenig sinnvoll. Es ist daher davon auszugehen, dass der Hinweis allein dazu dienen sollte, den Zweifel am Ergebnis des Blutalkoholgutachtens zu erklären, um nicht bloß eine ins Blaue hinein aufgestellte Vermutung zu äußern. Die Behauptung des Verteidigers, die im verlesenen Blutalkoholgutachten festgestellte Blutalkoholkonzentration könne nicht zutreffen, zielte somit in erster Linie darauf, die Unvereinbarkeit beider Messergebnisse unter Zugrundelegung der Umstände des Falles sachverständig belegen zu lassen und - gegebenenfalls - auf eine Überprüfung, ob das Blut, das dem Gutachten zugrunde lag, mit dem des Angeklagten identisch war oder ob bei der Blutprobenauswertung etwaige Fehler aufgetreten waren.
Die so zu verstehenden Beweisbehauptungen konnten mit der amtsgerichtlichen Begründung nicht abgelehnt werden. Zur Frage der Vereinbarkeit mit einer Atemalkoholmessung und zur Identität des untersuchten Blutes äußert sich das Blutalkoholgutachten nicht. Durch das Gutachten konnte das Gegenteil der Beweisbehauptung somit nicht erwiesen sein.
Die Vereinbarkeit der Ergebnisse der Blut- und Atemalkoholmessungen miteinander bedurfte sachverständiger Beurteilung. Ob die Sachkenntnis eines Gerichts zur Beurteilung einer Beweisfrage ausreicht, richtet sich grundsätzlich nach deren Schwierigkeit sowie der Art und dem Ausmaß der auf fremden Wissensgebiet beanspruchten Sachkunde (BGHSt 12, 18, 20; KG, Beschluss vom 29.01.1997, 1 Ss 304/96). Die Vereinbarkeit der Messergebnisse von Blut- und Atemalkohol bei Abweichungen von mehr als umgerechnet 0,4 Promille (vgl. Iffland DAR 2000, 9 ff.) beinhaltet s...