Leitsatz (amtlich)

1. Der Grundstückseigentümer ist berechtigt, in gewillkürter Verfahrensstandschaft für den Grundschuldgläubiger die Kraftlosigkeit des Grundschuldbriefes zu beantragen.

2. Zur Abgrenzung der Aufgebotsverfahren nach § 1162 BGB und §§ 1170, 1171 BGB bei nicht auffindbarem Grundschuldbrief vor vollständiger Rückgewähr einer Briefgrundschuld.

3. Ist der Grundschuldbrief nicht mehr auffindbar, im Archiv der Grundschuldgläubigerin aber ein Schreiben erhalten, in dem die frühere Rückgabe des Briefs behauptet wird, ist dies ein tragfähiger Anhaltspunkt dafür, dass die Grundschuldgläubigerin ihr Recht nicht zuvor abgetreten hatte.

 

Tenor

1. Der Beschluss des Amtsgerichts Pforzheim vom 09.04.2021, 2 UR II 57/20, wird aufgehoben.

2. Das Amtsgericht wird angewiesen, den Antrag des Antragstellers auf Kraftloserklärung des Grundschuldbriefs der im Grundbuch von Pforzheim Blatt X1 unter Abteilung III Nr. 2 eingetragenen Grundschuld über DM 135.000,00 für die D-Bank Aktiengesellschaft Filiale P., P., - Zweigniederlassung der D-Bank AG (...) - nicht aus den im aufgehobenen Beschluss angeführten Gründen zurückzuweisen.

 

Gründe

I. Der Antragsteller, der im Wege der Erbfolge Eigentümer des Grundstücks B-Str. 2, P., geworden ist, beantragt die Kraftloserklärung eines Grundschuldbriefs gemäß §§ 1192 Abs. 1, 1162 BGB. Im Grundbuch ist eine Grundschuld zugunsten der D. Bank AG Filiale P., (...)- eingetragen. Rechtsnachfolgerin der Grundschuldgläubigerin ist die C. Aktiengesellschaft. Die Erteilung eines Briefs ist nicht ausgeschlossen.

Das Amtsgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 09.04.2021, 2 UR II 57/20, zurückgewiesen. Der Antragsteller habe seine Antragsberechtigung nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Insbesondere könne er nicht glaubhaft machen, dass die verstorbene Voreigentümerin des Grundstücks bei ihrem Tod noch Inhaberin der Grundschuld gewesen sei und der Antragsteller diese als Erbe erworben habe. Der Verbleib des Grundschuldbriefs sei ungeklärt. Es sei denkbar, dass die C- AG den Grundschuldbrief an die früheren Grundstückseigentümer zurückgesandt und diese die Grundschuld, die sich in eine Eigentümergrundschuld gewandelt habe, an einen anderen, unbekannten Gläubiger abgetreten hätten. Dass dies nicht geschehen sei, habe der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht und mangels eigener Wahrnehmung auch nicht glaubhaft machen können. Der Antragsteller müsse daher ein - von ihm nicht beantragtes - Gläubigeraufgebot gemäß §§ 1170, 1171 BGB durchführen.

Dagegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers. Die vormaligen Eigentümer seien nicht Inhaber der Briefgrundschuld geworden, da es an einer Abtretungserklärung durch die C-Bank fehle. Aus diesem Grund hätten sie auch nicht über die Grundschuld verfügen können, ein gutgläubiger Erwerb sei ausgeschlossen.

Wegen des weiteren Vorbringens wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II. Die Beschwerde ist zulässig und begründet.

1. Die Beschwerde ist gemäß § 58 Abs. 1 FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere wurde sie innerhalb der Frist des § 63 Abs. 1, 3 FamFG eingelegt. Der Antragsteller ist gemäß § 59 Abs. 2 FamFG beschwerdeberechtigt, da sein Antrag mit der Begründung zurückgewiesen wurde, er sei nicht antragsberechtigt. Dies kann mit der Beschwerde überprüft werden (vgl. OLG München, Beschluss vom 25.07.2017, 34 Wx 110/17 - juris, Rn. 16); insofern genügt eine formelle Beschwer (OLG Düsseldorf, FGPrax 2013, 134 - juris, 15).

2. Die Beschwerde ist auch begründet. Das Amtsgericht hat den Antrag auf Durchführung des Aufgebotsverfahrens nach §§ 1192 Abs. 1, 1162 BGB zu Unrecht mit der Begründung zurückgewiesen, der Antragsteller mache ein eigenes Recht geltend und habe seine Antragsberechtigung nicht glaubhaft gemacht.

a. Das Aufgebotsverfahren zur Kraftloserklärung eines abhanden gekommenen Grundpfandrechtsbriefs nach § 1162 BGB dient der Wiederherstellung des Grundpfandrechts (vgl. OLG Düsseldorf, Rpfleger 2019, 706 - juris, Rn. 17). Es richtet sich nach §§ 466ff. FamFG. Antragsberechtigt ist derjenige, der das Recht aus der Urkunde geltend machen kann, § 467 Abs. 2 FamFG, also der Inhaber des dinglichen Rechts, gegebenenfalls auch der Eigentümer des Grundstücks, auf den das Eigentum am Brief übergeht, § 952 BGB, oder der persönliche Schuldner nach Rechtsübergang, §§ 1163, 1164 BGB (OLG Düsseldorf, Rpfleger 2019, 706 - juris, Rn. 20).

Dagegen dient das Aufgebotsverfahren zur Ausschließung unbekannter Grundpfandrechtsgläubiger nach §§ 1170, 1171 BGB dazu, dem Grundstückseigentümer den Nachweis der Grundbuchunrichtigkeit zu erleichtern (vgl. OLG Düsseldorf, Rpfleger 2019, 706 - juris, Rn. 16). Dem Ausschließungsbeschluss nach § 1170 Abs. 2 BGB kommt gestaltende Wirkung zu; durch ihn erwirbt derjenige das aufgebotene Grundpfandrecht, dem das belastete Grundstück bei Erlass des Ausschlussbeschlusses gehört (BGH NJW-RR 2009, 660 - juris, Rn. 28; OLG Bremen, Beschluss vom 28.07.2014, 1 W 22/14 - juris, Rn. 20). Dieses Verfahren richtet sich nach §§ 447ff. F...

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