Entscheidungsstichwort (Thema)
Regelbeispiel für die Kostenentscheidung in Kindschaftssachen
Leitsatz (amtlich)
Bei dem Regelbeispiel für eine Kostenentscheidung nach § 81 Abs. 2 Nr. 3 FamFG steht das Verschweigen einer wesentlichen Tatsache in einer Kindschaftssache dem Vortrag einer unwahren Tatsache grundsätzlich nicht gleich.
Normenkette
FamFG § 81 Abs. 2 Nr. 3, § 81
Verfahrensgang
AG Singen (Beschluss vom 04.05.2023; Aktenzeichen L 4 F 465/22) |
Tenor
1. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Singen vom 04./05.05.2023 wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsgegner.
3. Der Verfahrenswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 990,85 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die Verteilung der Kosten in einem Sorgerechtsverfahren.
Die Antragstellerin und der Antragsgegner sind die getrennt lebenden Eltern der Kinder Li., E., J. und L.
Die Antragstellerin beantragte beim Familiengericht Singen, die Zustimmung des Antragsgegners zur Übertragung der Krankenversicherungen der Kinder E., J. und L, die bislang beim Antragsgegner bei der ... versichert sind, auf den Versicherungsvertrag der Antragstellerin bei der ... durch gerichtlichen Beschluss zu ersetzen. Es gebe Probleme mit dem Zahlungsausgleich der Arztrechnungen, da der Antragsgegner zwar der für die Kinder agierende Versicherungsnehmer sein möchte, jedoch die Rechnungen nicht oder nur teilweise ausgleiche. Der zunächst auch hinsichtlich des Kindes L. gestellte Antrag wurde zurückgenommen.
Der Antragsgegner beantragte, den Antrag abzuweisen. Es sei zwingend geboten, dass er weiterhin Versicherungsnehmer sei. Die Antragstellerin habe durch das Fälschen von Arzt- und Laborrechnungen auf betrügerische Art und Weise die Erstattung von Beträgen erreicht. Die Antragstellerin habe von zwei Verwandten das Datum bzw. den Patienten so ändern lassen, dass die Rechnung ein Kalenderjahr bzw. einen Patienten betroffen habe, bei dem der Selbstbehalt bereits ausgeschöpft gewesen sei. So sei die Krankenversicherung zur Erstattung der entsprechenden Rechnungsbeträge verpflichtet gewesen.
Die Antragstellerin räumte den Vorwurf ein und führte aus, sie habe sich in ihrer finanziellen Not nicht anders zu helfen gewusst.
Mit Beschluss vom 04.05.2023, der am 05.05.2023 der Geschäftsstelle übergeben wurde, übertrug das Amtsgericht - Familiengericht - Singen gemäß § 1628 BGB die Entscheidung über die Frage, in der Krankenversicherung welchen Elternteils die Kinder E., J. und L. mitversichert werden, auf den Antragsgegner, der keinen eigenen Antrag gestellt hatte, und ordnete an, dass die Kosten des Verfahrens gegeneinander aufgehoben werden. In den Gründen führte das Familiengericht aus, die Antragstellerin habe Rechnungen manipuliert. Dies könne u.a. den Tatbestand des Betrugs (§ 263 StGB) erfüllen. Es bestehe daher die konkrete Gefahr, dass die ... den Versicherungsvertrag mit der Antragstellerin kündigen werde und die Kinder, wären sie über die Antragstellerin versichert, zumindest vorübergehend ihren Krankenversicherungsschutz verlieren würden. Allein aus diesem Grund könne dem Antrag der Antragstellerin nicht entsprochen werden. Ferner sehe das Gericht die von der Antragstellerin angesprochene Gefahr einer Kündigung der Behandlungsverträge durch die Ärzte der Kinder im Fall der Versicherung über den Antragsgegner nicht.
Gegen den dem Antragsgegner am 08.05.2023 zugestellten Beschluss wendet sich der Antragsgegner mit der am 08.05.2023 beim Amtsgericht Singen eingegangenen Beschwerde, die auf die Kostenentscheidung beschränkt ist. Er beantragt, der Antragstellerin die erstinstanzlichen Kosten aufzuerlegen. Die Antragstellerin habe im Rahmen der Antragstellung ihr betrügerisches und kriminelles Verhalten im Zusammenhang mit der streitgegenständlichen privaten Krankenversicherung bei der ... verschwiegen.
Die Antragstellerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Sie trägt vor, der Antragsgegner habe durch sein Verhalten Anlass zu ihrem Verfahren gegeben. Er habe einerseits darauf bestanden, die Krankenversicherungsverträge für die Kinder zu übernehmen. Andererseits habe er jedoch verlangt, dass die Antragstellerin zunächst alle Arztrechnungen für die Kinder bis zum Erreichen des Selbstbehalts verauslagen müsse. Er habe gewusst, dass er mit diesem Verhalten die Antragstellerin, welche kaum über eigenes Einkommen verfüge, finanziell überfordere. Daher sei die Kostenentscheidung des Gerichts trotz der Rechnungsmanipulationen der Antragstellerin richtig.
Für die Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II. 1. Die Beschwerde des Antragsgegners ist gemäß §§ 58 ff. FamFG zulässig
a) Im Bereich der Freiwilligen Gerichtsbarkeit - zu der das hier vorliegende Sorgerechtsverfahren gehört - ist die selbständige Anfechtung der in einer Endentscheidung gemäß § 38 Abs. 1 Satz 1 FamFG getroffenen Kostenentscheidung statthaft (vgl. Musielak/Borth/Frank, FamFG, 7. Auflage 2022, § 58 Rn. 1...