Leitsatz (amtlich)
1. In einem Adoptionsverfahren ist ein - möglicher - biologischer Vater grundsätzlich von dem Verfahren zu unterrichten, um ihm die Möglichkeit zu geben, rechtzeitig vor einer Entscheidung über die Annahme seines Kindes durch Dritte seine Vaterschaft - auch gegen den Willen der Mutter - feststellen zu lassen oder die Voraussetzungen des § 1600d Abs. 2 Satz 1 BGB glaubhaft zu machen, um damit seine Rechte als Vater im Adoptionsverfahren geltend machen zu können. Anderenfalls kommt eine Aufhebung der Adoption wegen fehlender Einwilligung gemäß §§ 1759, 1760 Abs. 1 BGB in Betracht.
2. Eine Unterrichtung ist insbesondere dann geboten, wenn es Indizien gibt, die auf die Person eines möglichen biologischen Vaters hinweisen. Solche Indizien hat das Jugendamt dem Gericht mitzuteilen. Die biologische Mutter ist zu dieser Frage anzuhören.
Verfahrensgang
AG Emmendingen (Aktenzeichen 4 F 124/21) |
Tenor
1. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Emmendingen vom 03.06.2022 wird zurückgewiesen.
2. Von der Erhebung der Gerichtskosten im Beschwerdeverfahren wird abgesehen. Außergerichtliche Kosten der Beteiligten werden im Beschwerdeverfahren nicht erstattet.
3. Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit im Beschwerdeverfahren wird auf 5.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist der Antrag des Antragstellers, das Annahmeverhältnis seiner 4-jährigen leiblichen Tochter aufzuheben.
Das Kind K wurde am 2019 von M in der Wohnung des Antragstellers geboren.
Mit Beschluss des Familiengerichts Emmendingen vom 31.07.2019 (1 F 176/19: As. 13 ff.) wurde im Wege einer einstweiligen Anordnung das Ruhen der elterlichen Sorge der gemäß § 1626a Abs. 3 BGB allein sorgeberechtigten M festgestellt und Vormundschaft angeordnet. M leidet an einer paranoiden Schizophrenie. Für sie besteht eine Betreuung (1 F 141/20: As. 57 ff. und 249).
Das Kind K wurde am 05.08.2019 aus der Klinik heraus in einer Bereitschaftspflegefamilie untergebracht und wechselte am 06.09.2019 zur Adoptionspflegefamilie, wo es seither lebt.
Mit Beschluss des Familiengerichts Emmendingen vom 04.02.2020 (4 F 338/19: As. 65 ff.) wurde mit Einwilligung von M auf den am 05.11.2019 beim Amtsgericht eingegangenen Antrag der Adoptiveltern die Annahme des Kindes K als gemeinsames Kind der Adoptiveltern ausgesprochen. Die Annahme erfolgte im Wege einer Inkognito-Adoption. Das Kind führt nunmehr den Nachnamen der Adoptiveltern.
K kam mit 2,5 Jahren in die Kita und besucht zwischenzeitlich den Kindergarten.
Der 52-jährige Antragsteller stammt aus dem Irak. Er kam im Jahr 2002 nach Deutschland und lebt in einer Zwei-Zimmerwohnung. Aus einer geschiedenen Ehe hat der Antragsteller drei erwachsene Söhne (geboren 1994, 1996, 1999), die im Irak leben (1 F 141/20: Gutachten S. 5).
Auf Antrag des Antragstellers vom 28.04.2020 wurde mit Beschluss des Familiengerichts Emmendingen vom 02.12.2020 (1 F 88/20: As. 147 ff.) festgestellt, dass der Antragsteller der biologische Vater des Kindes K ist.
Im vorliegenden Verfahren beantragte der Antragsteller mit notariellem Antrag vom 16.04.2021 (I, 3 ff.), eingegangen beim Amtsgericht Emmendingen am 21.04.2021, die Aufhebung der Annahme der am 27.07.2019 geborenen K Nora, frühere Beerbohm, durch Beschluss auszusprechen.
Des Weiteren beantragte er die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe, die ihm im Beschwerdeverfahren (5 WF 29/22) mit Beschluss vom 21.03.2022 bewilligt wurde.
Der Antragsteller trug zur Begründung vor (I, 4 f.), dass die erforderliche Einwilligung zur Annahme durch ihn als biologischen Vater des Kindes nicht vorgelegen habe. Die Einwilligung sei nicht nach § 1747 Abs. 4 BGB entbehrlich gewesen. Die Voraussetzungen für die Ersetzung seiner Einwilligung hätten zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Annahmeantrag ebenfalls nicht vorgelegen. Schließlich sei das Wohl seiner Tochter durch die Aufhebung des Annahmeverhältnisses nicht erheblich gefährdet (§ 1761 Abs. 2 BGB). Die Bindung zu der Familie der Annehmenden habe sich in der verhältnismäßig kurzen Zeitspanne seit Ausspruch der Annahme und unter Hinzurechnung der Pflegezeit nicht derart vertieft, dass die Gründe für eine Aufhebung zurückstehen müssten. Von der Annahme habe er erst im Laufe des Vaterschaftsanerkennungsverfahrens durch ein Schreiben des Landratsamtes Emmendingen vom 14.05.2020 erfahren.
Die Adoptiveltern traten dem Antrag entgegen und führten aus (I, 19 f.), der Antragsteller habe stets erklärt, nicht der biologische Vater zu sein. Daher sei eine Beteiligung im Adoptionsverfahren nicht erforderlich gewesen. Im Übrigen hätte für den Fall, dass seine Zustimmung erforderlich gewesen wäre, diese ersetzt werden können. Weiterhin würde eine Aufhebung der Adoption dem Kindeswohl widersprechen. Die persönlichen Verhältnisse des Antragstellers seien desaströs. Er wohne mit der schwer drogenabhängigen und psychisch schwer kranken M zusammen. Letztlich sei die Frist des § 1762 Abs. 2 Satz 2 l...