Leitsatz (amtlich)
Zum Geschäftswert des Erbscheinsverfahrens in der Beschwerdeinstanz.
Verfahrensgang
Notariat Haslach (Aktenzeichen 161/2014) |
Tenor
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 299.483 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Beteiligte Ziff. 1 war der Ansicht, sie habe den Erblasser mit einem 4/10-Erbteil beerbt. Sie hat sich mit der Beschwerde gegen den Beschluss des Nachlassgerichts gewandt, in dem die Tatsachen für festgestellt erachtet wurden, einen Erbschein zu erteilen, der die Beteiligten Ziff. 2 und Ziff. 3 als Erben zu 3/10 bzw. 7/10 ausweist. Der Senat hat die Beschwerde durch Beschluss vom 16.07.2015 zurückgewiesen und der Beteiligten Ziff. 1 die Kosten der Beschwerde auferlegt.
Der Beteiligte Ziff. 3 hat eine Nachlassaufstellung vorgelegt, nach der der Nachlass einen Wert von 299.483 EUR hat. Aus diesem Wert hat das Nachlassgericht die Kosten für die Erteilung des Erbscheins berechnet. Der Senat hat darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, diesen Wert für das Beschwerdeverfahren anzusetzen. Demgegenüber hat die Beteiligte Ziff. 1 unter Hinweis auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm geltend gemacht, maßgeblich sei das wirtschaftliche Interesse des Beschwerdeführers an, so dass der Wert auf 4/10 des Nachlasses zu beschränken sei. Im Übrigen müsse sie davon ausgehen, dass der Wert des Nachlasses unter 200.000 EUR liege. Die Immobilie sei mit einem Wohnungsrecht belastet gewesen. Der Erblasser habe Verbindlichkeiten in Höhe von mindestens 13.000,00 EUR gehabt.
II. Der Nachlasswert beläuft sich auf 299.483 EUR.
Das die Immobilie belastende Wohnungsrecht ist in der Nachlassaufstellung berücksichtigt worden ebenso wie Verbindlichkeiten des Erblassers in Höhe von 5.972, 26 EUR. Die von der Beteiligten Ziff. 1 behaupteten weiteren Verbindlichkeiten, für die jeder Anhaltspunkt fehlt, führten ohnehin nicht zu einem Gebührensprung.
Für den Wert des Beschwerdeverfahrens ist der Nachlasswert maßgeblich.
Nach § 131 Abs. 2 KostO bestimmte sich der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren nach § 30 KostO. In vermögensrechtlichen Angelegenheiten war der Wert gemäß § 30 Abs. 1 KostO nach freiem Ermessen zu bestimmen. Dabei wurde maßgeblich auf das wirtschaftliche Interesse des Beschwerdeführers im Beschwerdeverfahren abgestellt. Beschränkte sich das Interesse des Beschwerdeführers auf einen von ihm geltend gemachten Erbanteil, so wurde nur eine entsprechende Quote vom Nachlasswert für den Geschäftswert herangezogen.
§ 61 GNotKG verweist nicht auf die (§ 30 KostO entsprechende) Vorschrift des § 36 GNotKG. Nach § 61 Abs. 1 S. 1 GNotKG bestimmt sich der Geschäftswert im Rechtsmittelverfahren vielmehr nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht (FGPrax 2015, 93) hat daher entschieden, es könne nicht mehr darauf abgestellt werden, welches wirtschaftliche Ziel der Antragsteller oder der Beschwerdeführer im Ergebnis für sich erreichen wolle. Das Oberlandesgericht Düsseldorf (FGPrax 2015, 182) und der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe (ErbR 2015, 499) haben sich dem angeschlossen. Zwar sei nicht zu verkennen, dass die neue Gesetzeslage, die auf das Rechtsmittelbegehren statt auf das dahinter stehende wirtschaftliche Ziel abstelle, dazu führen könne, dass die Kostenlast außer Verhältnis zu dem erstrebten wirtschaftlichen Ziel stehe und geeignet sein könnte, den Zugang zur Rechtsmittelinstanz zu beeinträchtigen (Art. 19 Abs. 4 GG). In dem entschiedenen Fall ergebe sich aber keine unverhältnismäßige Kostenbelastung (OLG Düsseldorf a.a.O.).
Demgegenüber hat das Oberlandesgericht Hamm (ZErb 2015, 325) mit Beschluss vom 05.08.2015 ausgeführt, auch unter der Geltung des GNotKG sei das wirtschaftliche Interesse des Beschwerdeführers im Beschwerdeverfahren maßgeblich. Die Anwendung des § 61 Abs. 1 S. 1 GNotKG dürfe nicht mit der Wertvorschrift des § 40 Abs. 1 S. 1 GNotKG vermengt werden, die ausschließlich das erstinstanzliche Verfahren betreffe. § 61 Abs. 1 S. 1 i.V.m. Abs. 2 GNotKG impliziere, dass der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens hinter dem des erstinstanzlichen Verfahrens zurückbleiben könne. Die aus § 40 FamGKG übernommene Wortfassung der Vorschrift berücksichtige nicht hinreichend, dass das FamFG keine Anträge des
Rechtsmittelführers vorschreibe. § 65 Abs. 1 FamFG sei eine Sollvorschrift. Folglich könne in § 61 Abs. 1 S. 1GNotKG lediglich das Beschwerdeziel des Beschwerdeführers, also seine Beschwer, gemeint sein. Der Umstand, dass ein - verfahrensrechtlich freigestellter - Antrag dahin formuliert werden müsste, in Abänderung der angefochtenen Entscheidung den sich auf den gesamten Nachlass beziehenden Erbscheinsantrag zurückzuweisen, könne nicht zu einer anderen Bewertung führen. Dieser Gesichtspunkt betreffe ausschließlich den Entscheidungssatz, den das Beschwerdegericht bei einem sachlichen Erfolg der Beschwerde zu bilden habe. Dieser Entscheidungssatz werde von dem Grundsatz der strengen Antragsgebundenheit des Erbscheinsverfahrens (§ 2353 BGB