Leitsatz (amtlich)
Der Wegeunfall eines selbständigen Monteurs fällt nicht unter den Risikoausschluss für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen im Zusammenhang mit einer selbständigen oder freiberuflichen Tätigkeit.
Verfahrensgang
LG Heidelberg (Urteil vom 30.07.2003; Aktenzeichen 7 O 137/03) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des LG Heidelberg vom 30.7.2003 – 7 O 137/03 – aufgehoben.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Ehemann der Klägerin aus dem Rechtsschutzversicherungsvertrag mit ihr – Versicherungsschein Nr. … – Versicherungsschutz zu gewähren für die Geltendmachung von Ansprüchen infolge seines Unfalls am 11.1.2001 in dem Rechtsstreit gegen die A. vor dem LG Heidelberg – 3 O 42/03.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin begehrt als Versicherungsnehmerin die Feststellung, dass die Beklagte ihrem Ehemann für die Geltendmachung von Ansprüchen aus einem Unfallversicherungsvertrag in einem Prozess vor dem LG Heidelberg bedingungsgemäßen Rechtsschutz zu gewähren habe.
Die Klägerin unterhält bei der Beklagten eine seit 1986 bestehende Rechtsschutzversicherung, die Familien- und Verkehrs-Rechtsschutz umfasst. Dem Vertrag liegen die Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB 75 – nachfolgend ARB) zugrunde.
Der Ehemann der Klägerin war zu dem Zeitpunkt des Unfallereignisses am 11.1.2001 als selbständiger Küchenmonteur tätig. Er verfehlte, als er nach getaner Arbeit die Außentreppe der Wohnanlage einer Kundin hinabstieg, eine Treppenstufe, und verletzte sich beim Sturz erheblich. Seither sind seine Beweglichkeit und Gehfähigkeit stark eingeschränkt.
In dem Rechtsstreit 3 O 42/03 vor dem LG Heidelberg nimmt der Ehemann der Klägerin seinen Unfallversichererer im Wege der Teilklage auf Auszahlung der Versicherungsleistung bei 50 %-iger Invalidität (= 76.693,78 Euro) in Anspruch.
Wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen wird auf das erstinstanzliche Urteil Bezug genommen. Zweitinstanzliche Änderungen und Ergänzungen ergeben sich aus den nachfolgenden Ausführungen.
Das LG hat die Klage abgewiesen, weil der Risikoausschluss des § 25 Abs. 1 S. 2 ARB eingreife.
Die Klägerin verfolgt mit ihrer Berufung das erstinstanzliche Begehren weiter. Die Beklagte tritt dem entgegen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
II. Die Berufung hat Erfolg. Die Beklagte hat dem Ehemann der Klägerin für den von ihm verfolgten Anspruch aus der Unfallversicherung bedingungsgemäßen Versicherungsschutz zu gewähren. Der in den ARB vereinbarte Risikoausschluss für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen im Zusammenhang mit einer selbständigen oder freiberuflichen Tätigkeit greift nach Auffassung des Senats nicht ein.
1. Mit der Berufungsbegründung, der die Beklagte insoweit nicht entgegengetreten ist, ist davon auszugehen, dass gem. der Anlage K 1 zwischen den Parteien – als Vertragsart „…” – der Familien- und Verkehrs-Rechtsschutz für Lohn- und Gehaltsempfänger gem. § 26 ARB 75 vereinbart ist. Zu prüfen ist daher das Eingreifen des in § 26 Abs. 1 S. 4 ARB 75 geregelten Risikoausschlusses und nicht des – allerdings wort- und sinngleichen – Ausschlusses in § 25 Abs. 1 S. 2 ARB 75, den das LG zugrunde gelegt hat.
2. Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeit eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit – auch – auf seine Interessen an (BGH v. 23.6.1993 – IV ZR 135/92, BGHZ 123, 83 [85] = MDR 1993, 841). Bei Risikoausschlüssen geht das Interesse des Versicherungsnehmers regelmäßig dahin, dass der Versicherungsschutz nicht weiter verkürzt wird, als der erkennbare Zweck der Klausel dies gebietet. Ihr Anwendungsbereich darf mithin nicht weiter ausgedehnt werden, als es ihr Sinn unter Beachtung des wirtschaftlichen Ziels und der gewählten Ausdrucksweise erfordert. Denn der durchschnittliche Versicherungsnehmer braucht nicht damit zu rechnen, dass er Lücken im Versicherungsschutz hat, ohne dass ihm diese hinreichend verdeutlicht werden (BGH v. 19.2.2003 – IV ZR 318/02, MDR 2003, 744 = BGHReport 2003, 602 = VersR 2003, 454 unter II 1 m.w.N.).
Bei der Auslegung ist auch der Regelungszusammenhang zu berücksichtigen. Der verständige Versicherungsnehmer wird deshalb den Ausschluss des Versicherungsschutzes gem. § 26 Abs. 1 S. 4 ARB 75 (nicht anders als den Ausschluss in § 25 Abs. 1 S. 2 ARB) bei einer selbständigen oder freiberuflichen Tätigkeit mit der im Bedingungswerk vorangehenden Regelung des § 24 ARB in Verbindung bringen. Er erkennt, dass nach § 26 Abs. 1 S. 4 ARB diejenige Tätigkeit vom Versicherungsschutz ausgenommen sein sol...