Leitsatz (amtlich)
Es besteht keine allgemeine Verpflichtung des Staates, seine Bürger vor dem Verlust von Einnahmen zu schützen, die ihm durch wildlebende Tiere entstehen könnten.
Es besteht keine allgemeine Verpflichtung des Staates, seine Bürger vor dem Verlust von Einnahmen zu schützen, die ihm durch wildlebende Tiere entstehen könnten.
Verfahrensgang
LG Karlsruhe (Urteil vom 29.12.2009; Aktenzeichen 2 O 348/09) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG Karlsruhe vom 29.12.2009 - 2 O 348/09 - wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der klagende Tabakpflanzer begehrt vom beklagten Land einen Ausgleich für Schäden, die ihm nach seinem Vortrag im Frühjahr 2009 Rabenkrähen durch Ausreißen von Pflanzen zugefügt haben.
Der Kläger ist Landwirt in P und baut dort Tabakpflanzen an. Während der Tabakpflanzungssaison im Frühjahr 2009 genehmigte das Regierungspräsidium Karlsruhe ihm auf seinen Antrag am 29.5.2009 (Anlage B 1, AHB I. Instanz, As. 1) den Abschuss von zwei bis drei Rabenkrähen pro Anbaufläche zur "nachhaltigen Vergrämung" dieser Tiere. Ein Abschuss von Rabenkrähen aufgrund dieser Genehmigung erfolgte nicht.
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, das beklagte Land hätte, wenn schon die Rabenkrähen geschützt würden, wegen deren bekannter Schädlichkeit für landwirtschaftliche Kulturen durch ständige Beobachtung eine Überpopulation verhindern und frühzeitig einschreiten müssen. Der Bestand an Rabenkrähen aus dem im Eigentum des Landes stehenden Rheinauenwald habe übermäßig zugenommen. Eine Ausnahmegenehmigung zum Abschuss sei zu spät und in zu geringem Umfang erteilt worden.
Der Kläger hat behauptet, zwei Tage nach der ersten Tabakpflanzung am 20.5.2009 seien ständig mindestens 30 Rabenkrähen auf seiner Anbaufläche gewesen und hätten am 23.5.2009 28.000 Tabakpflanzen aus dem Boden gerissen. Zur Schadensminderung habe er am 24.5.2009 ersatzweise 28.000 Pflanzen gesetzt. Wegen weiterer Schäden durch Raben seien weitere Nachpflanzungen am 27.5. und am 1./2.6.2009 notwendig gewesen. Auch die Ersatzpflanzen seien wieder ausgerissen worden, hätten aber nicht mehr ersetzt werden können. Für die Ersatzanpflanzungen seien ihm Kosten von 1.496 EUR entstanden; die verbliebenen Fehlstellen hätten - wie ein Gutachten seines Berufsverbandes belege (As. I 27) - einen Ertragsausfall von 7.706 EUR verursacht.
Der Kläger hat beantragt (As. I 1), das beklagte Land zu verurteilen, an ihn 9.200 EUR nebst 5 % Zinsen über Diskontsatz seit 1.9.2009 zu zahlen.
Das beklagte Land hat beantragt (As. I 47), die Klage abzuweisen.
Es hat die Ansicht vertreten, es sei nicht verpflichtet, die Populationsgröße einzelner Tierarten von Amts wegen zu überwachen und ggf. bestandsreduzierend einzugreifen. Der Bestand an Rabenkrähen sei zudem in den letzten Jahren konstant geblieben.
Das LG hat die Klage abgewiesen (As. 73). Ein Schadensersatzanspruch wegen einer Amtspflichtverletzung bestehe nicht. Rabenkrähen gehörten nicht zu denjenigen Tierarten, für die nach dem Jagdrecht Abschusspläne erstellt werden müssten. Auch das allgemeine Gebot des § 21 Abs. 1 BJagdG, den Abschuss des Wildes unter Wahrung der berechtigten Ansprüche der Landwirtschaft zu regeln, führe nicht zu einer allgemeinen Verpflichtung, von Amts wegen den Bestand an Rabenkrähen zu regulieren. Eine planmäßige Tötung dieser Tiere sei nach dem Recht der Europäischen Union ohnehin unzulässig. Da die zuständige Behörde dem Antrag des Klägers auf Genehmigung von Vergrämungsabschüssen noch am Tage des Eingangs entsprochen habe, sei eine Amtspflichtverletzung in diesem Zusammenhang ebenfalls nicht ersichtlich. Eine Entschädigung wegen eines enteignenden oder eines enteignungsgleichen Eingriffes komme wegen des Fehlens des dafür notwendigen qualifizierten Unterlassens nicht in Betracht. Auch auf § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB könne der Kläger sein Begehren nicht stützen, weil die Unterlassung bestandsregelnder Maßnahmen der hoheitlichen Tätigkeit der Behörde zuzuordnen sei und die Vorschrift daher nicht angewendet werden könne.
Mit der dagegen gerichteten Berufung macht der Kläger geltend, das beklagte Land müsse angesichts der besonders schadensanfälligen Obst-, Gemüse- und Tabakkulturen im Rhein-Neckar-Raum die Population der Rabenkrähen überwachen. Angesichts der offen sichtbaren Zunahme von Rabenschwärmen habe die Naturschutzbehörde die Bestände ermitteln und Abwehrmaßnahmen ergreifen müssen. Ein Mitverschulden des Klägers könne nicht daraus abgeleitet werden, dass er selbst keine Abwehrmaßnahmen ergriffen habe. Abgesehen davon, dass die intelligenten Rabenvögel sich durch Attrappen - wie Vogelscheuchen - nicht abschrecken ließen, habe der Kläger angesichts des plötzlichen Vogeleinfalls keine wirkungsvollen Abwehrmaßnahmen ergreifen können.
Das LG habe zudem verkannt, dass auch ein Unterlassen eine Enteignung darstellen könne, wenn eine entsprechende Ha...