Entscheidungsstichwort (Thema)
Scheidung – Härteklausel – außergewöhnliche Umstände. Ehescheidung
Leitsatz (amtlich)
Kann auch nach Ausschöpfung gegebener wissenschaftlicher Mittel nicht mit der für eine Urteilsbildung notwendigen Sicherheit festgestellt werden, daß der sich der Scheidung widersetzende Ehepartner infolge des Verlustes seiner Einsichts- und Steuerungsfähigkeit Suizid oder erweiterten Suizid begehen wird, ist auch bei demnach nicht ausgeräumter Gefahrenlage die Ehe angesichts der Darlegungs- und Beweislast, die der scheidungswillige Ehepartner für die Härtegründe des § 1568 S. 1 2. Alt BGB trägt, die Scheidung der Ehe auszusprechen.
Normenkette
BGB § 1568
Verfahrensgang
AG Karlsruhe (Urteil vom 27.03.1997; Aktenzeichen 1 F 73/93) |
Tenor
1. Die Berufung des Antragsgegners gegen das Urteil des Amtsgerichts – Familiengericht – … vom 27.03.1997 (1 F 73/93) wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Antragsgegner.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die am 16.06.1941 geborene Antragstellerin und der am 03.09.1939 geborene Antragsgegner haben am 14.04.1967 die Ehe miteinander geschlossen. Ein im Jahre 1976 geborenes gemeinsames Kind starb wenige Wochen nach der Geburt.
Am 14.01.1994 zog die Antragstellerin aus dem gemeinsamen Haus, das inzwischen zwangsversteigert ist, aus. Jedenfalls seit dem Auszug der Antragstellerin leben die Parteien auch räumlich getrennt.
Der Antragsgegner, der Berufssoldat und anschließend nach einem Studium während der Ehe Realschullehrer war, wurde mit Urkunde vom 28.08.1996 (I, 189) in den Ruhestand versetzt. Er leidet an einer ausgeprägten Hypertonie mit zum Teil malignen Werten. Nach der Trennung und noch stärker nach der Pensionierung zog sich der Antragsgegner mehr und mehr von anderen Menschen zurück, wobei er der Antragstellerin vorwarf, daß sie sich nicht im gleichen Maße um seine Krankheit sorge, wie er es bei ihr getan habe.
Mit ihrem, dem Antragsgegner am 12.07.1993 zugestellten Antrag, hat die Antragstellerin die Scheidung der Ehe begehrt, da diese gescheitert sei und die Ehegatten seit Mitte September 1993 – zunächst innerhalb der Ehewohnung – getrennt lebten.
Der Antragsgegner ist dem Scheidungsantrag entgegengetreten. Er begründete dies im wesentlichen damit, daß er die Ehe fortführen und mit der Antragstellerin, die ihn vor allem wegen seiner Krankheit verlassen habe, wieder zusammenleben wolle. Man habe ihm Hoffnung gemacht, daß er behandelt und eventuell geheilt werden könne. Danach werde auch wieder ein besseres Verhältnis zur Antragstellerin möglich sein. Im übrigen wäre eine Scheidung für ihn mit gesundheitlichen Risiken verbunden. Er verwies hierzu auf die fachärztliche Stellungnahme des Arztes für Naturheilverfahren und Psychatrie Dr. … vom 25.02.1997 (I, 207).
Das Familiengericht hat die Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 18.10.1994 (I, 129 f.). 30.06.1995 (I, 173 f.) und vom 12.11.1996 (I, 193 f.) angehört.
Mit Urteil vom 27.03.1997 hat das Familiengericht die Ehe der Parteien geschieden und den Versorgungsausgleich in der Weise durchgeführt, daß es zugunsten des Antragsgegners eine Rentenanwartschaft der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von monatlich 232,50 DM. bezogen auf das Eheende, begründet hat. Es hat ausgeführt. § 1568 BGB gestatte nur einen zeitweiligen Aufschub der Ehe, der hier durch lange Dauer des Verfahrens bereits eingetreten sei, ohne daß sich der Gesundheitszustand des Antragsgegners gebessert und sich in seiner Einstellung zur Trennung und Scheidung eine Entspannung gezeigt habe. Mit Hilfe der bei Dr. … eingeleiteten psychotherapeutischen Behandlung könne er seine depressive Stimmung und die vom Arzt erwähnten suizidalen Tendenzen bekämpfen.
Gegen das Urteil hat der Antragsgegner Berufung eingelegt mit dem Ziel, von der Antragstellerin nicht geschieden zu werden.
Er macht in erster Linie geltend, die Scheidung wäre für ihn wegen seiner Suizidgefährdung eine unbillige Härte gemäß § 1568 BGB. Er habe eine starke innere Bindung an die Ehe und sei jederzeit bereit, die eheliche Lebensgemeinschaft wieder aufzunehmen. Der jahrelang nicht erkannte Bluthochdruck habe erst zu Beginn des Jahres 1996 einigermaßen eingestellt werden können. Die Psychotherapie habe nur dann Erfolg, wenn nicht gleichzeitig vollendete Tatsachen durch eine Ehescheidung geschaffen würden. Er stützt sich auf einen ärztlichen Befund (II, 49), wonach sich durch die ausgesprochene Scheidung seine suizidalen Tendenzen massiv gesteigert hätten, wobei die Symptomatik durch die körperlich bedrohlichen Symptome erheblich verstärkt würde. Wegen der Zuspitzung der körperlichen Erkrankung habe er die Psychotherapie unterbrechen müssen. Seine Angina pectoris habe zugenommen und es sei wegen einer Drei-Gefäß-Erkrankung der Herzkranzgefäße eine Dilation durchgeführt worden. Jedenfalls bis zum Abschluß der Therapie sei der Antragstellerin zuzumuten, mit der Scheidung zu warten.
Der Antragsgegner beantragt,
das Urteil des Amtsgerichts – ...