Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterlassung
Tenor
I. Auf die Berufungen der Parteien wird unter Zurückweisung ihrer Rechtsmittel im übrigen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 13. Januar 1987 – 6 O 45/86 – im Kostenausspruch aufgehoben, – im übrigen teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefaßt:
Den Beklagten wird untersagt, in ihrem Hause in der Zeit von 22.00 Uhr bis 8.00 Uhr und von 13.00 Uhr bis 15.00 Uhr musizieren zu lassen.
Den Beklagten wird desweiteren untersagt, werktags mehr als zwei Stunden und sonn- und feiertags mehr als eine Stunde Klarinette und/oder Saxophon spielen zu lassen.
- Den Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen vorgenannte Ziffer 1 ein Ordnungsgeld bis zu 500 000 DM im Falle der Unbeibringlichkeit Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht.
II. Von den Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen tragen die Beklagten 1/3, die Kläger 2/3.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Der Wert der Beschwer der Parteien liegt unter 40 000 DM.
Tatbestand
Die Parteien sind Eigentümer benachbarter, in ruhigem Wohngebiet gelegener Reihenhäuser, die durchgehende Betondecken haben. Die Häuser sind hellhörig. Die drei Kinder der Beklagten (24, 21 und 18 Jahre alt) musizieren. Der älteste Sohn wohnt nicht mehr zu Hause. Der 21-jährige studiert Musik; er spielt Klavier, Saxophon und Klarinette. Die Tochter spielt Klavier. Die Kläger gehen regelmäßiger Arbeit außerhalb des Hauses nach, nähern sich aber dem Rentenalter. Sie empfinden das Musizieren als störend.
Im Haus der Beklagten wird in der Zeit zwischen 13.00 Uhr und 15.00 Uhr nicht musiziert. Sie haben auch erklärt, daß es für sie selbstverständlich sei, in der Zeit von 22.00 Uhr bis 8.00 Uhr nicht zu musizieren.
Die Kläger begehren, daß als Ruhezeiten die Zeitspanne zwischen 19.00 Uhr und 9.00 Uhr sowie zwischen 13.00 Uhr und 15.00 Uhr eingehalten werde. An Werktagen soll mit allen Instrumenten nicht länger als insgesamt zwei Stunden, an Sonn- und Feiertagen nur eine Stunde gespielt werden dürfen.
Das Landgericht hat im angefochtenen Urteil den Beklagten es gestattet, durchgängig (ohne Ruhepause) Klavier zu spielen, für das Klarinettenspiel Ruhezeiten zwischen 19.00 Uhr und 9.00 Uhr und zwischen 13.00 Uhr und 15.00 Uhr angeordnet und werktags auf zwei Stunden und sonn- und feiertags auf eine Stunde beschränkt. Die Beanstandung des Saxophonspiels ist erst in der Berufungsinstanz hinzugekommen.
Beide Parteien haben Berufung eingelegt.
Der Antrag der Beklagten ist auf ungehindertes, zeitlich nicht beschränktes Musizieren gerichtet. Die Kläger möchten über die vom Landgericht angeordnete Beschränkung auf das Klavierspiel unter Beibehaltung der festgelegten Ruhezeiten eingeschränkt wissen, wobei insgesamt zwei Stunden Musik am Werktag und eine Stunde Musizieren an Sonn- und Feiertag – alle Instrumente eingeschlossen – nicht überschritten werden soll.
Der Senat wie auch das Landgericht haben einen Augenschein mit Hörprobe eingenommen.
Zum streitigen Vortrag der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Beide Rechtsmittel der Parteien haben teilweise Erfolg.
1. Das von den Klägern zur Entscheidung gestellte Begehren, die Beklagten in der Nutzung ihres Eigentums zur Ausübung von Musik zu beschränken, hat seine Grundlage in §§ 906, 1004 BGB. Gemäß § 906 Abs. 1 BGB kann der Eigentümer eines Grundstücks „Geräusch” als eine von einem „anderen Grundstück ausgehende Einwirkung insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt”. Anders ausgedrückt, das Musizieren ist zu unterlassen, wenn die Kläger dadurch wesentlich in der Benutzung ihres Eigenheims beeinträchtigt werden.
Bei der Prüfung der Wesentlichkeit kommt es nicht auf die Person der klagenden, mehr oder weniger empfindlichen Nachbarn an, sondern auf das Empfinden eines normalen Durchschnittsmenschen, BGH LM § 906 BGB Nr. 6. Maßgebend ist dabei der Zustand des beeinträchtigten Grundstücks in seiner konkreten Beschaffenheit, d. h. es hat außer Betracht zu bleiben, ob den Klägern es technisch möglich wäre, durch Schallisolierung ihres Hauses die Geräuschbelästigung zu vermeiden, vgl. BGH NJW 1984, 1242.
2. Der Senat hat bei seiner Ortsbegehung auf den Grundstücken der Parteien festgestellt, daß die Kinder der Beklagten (im folgenden synonym mit Beklagten) in dem als Hobbyraum ausgebauten Kellerraum des Hauses musizieren. Das Klavier ist auf Gummiklötze gelagert, die es vermeiden, daß die Klavierfüße mit ihren Metallrollen selbst eine tragende und schallübertragende Funktion haben. Auf diesen Feststellungen beruhen die Erwägungen des Senats zur Wesentlichkeit der Beeinträchtigung der Kläger.
a) Das Klavierspiel konnte im Hause der Kläger von einem Durchschnittsmenschen mit gutem Gehör als stark gedämpftes Spiel vernommen werden. Das Spiel war nicht unmittelbar vernehmbar. Eine konkrete Melodienabfolge des gespielten klassischen Klavierstücks konnte nicht h...