Entscheidungsstichwort (Thema)

Verletzung eines Künstlerexklusivvertrages

 

Verfahrensgang

LG Mannheim (Urteil vom 19.04.2002; Aktenzeichen 7 O 184/01)

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 27.07.2005; Aktenzeichen 1 BvR 2501/04)

 

Tenor

Revision I ZR 163/03

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 19. April 2002 – 7 0 184/01 – wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung eines Betrages von 500.000 EUR abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit eines Künstlervertrages und den Umfang der ihnen aus diesem Vertrag wechselseitig erwachsenden Rechte und Pflichten. Die Klägerin nimmt den Beklagten auf die Erteilung von Auskunft über die Verbreitung zahlreicher Musiktitel und auf die Annahme von Angeboten zum Abschluss von Verlagsverträgen hinsichtlich weiterer Musiktitel in Anspruch. Der Beklagte begehrt widerklagend von der Klägerin die Erstattung von Beträgen, die diese bei der Durchführung des Künstlervertrages zu Unrecht einbehalten habe. Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen. Das Berufungsvorbringen beider Parteien veranlasst eine Änderung oder Ergänzung dieser Feststellungen nicht.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Mit seiner hiergegen gerichteten Berufung verfolgt die Klägerin ihr erstinstanzliches Begehren auf Verurteilung des Beklagten zur Auskunfterteilung und auf Abweisung der Widerklage weiter und begehrt ferner die Verurteilung des Beklagten zur Rückzahlung des von zum Ausgleich der im angefochtenen Urteil ausgeurteilten Widerklagesumme an den Beklagten geleisteten Betrages von 463.737, 38 EUR.

Die zulässige Berufung bleibt in der Sache erfolglos. Weder beruht das angefochtene Urteil auf einer Rechtsverletzung, noch sind Tatsachen zugrunde zu legen, die eine andere Entscheidung rechtfertigen. Mit eingehenden und überzeugenden Ausführungen, auf die Bezug genommen wird, ist das Landgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass der von den Parteien abgeschlossene Künstlervertrag vom 01.04.1998 gem. § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig und damit nichtig ist. Die Ausführungen der Klägerin im Berufungsrechtszug, mit denen sie im wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen wiederholt, veranlassen keine vom Ergebnis des Landgerichts abweichende Beurteilung.

Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, ist ein Rechtsgeschäft nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig, wenn es nach seinem aus der Zusammenfassung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu entnehmenden Gesamtcharakter mit den guten Sitten nicht zu vereinbaren ist. Hierbei ist weder das Bewusstsein der Sittenwidrigkeit noch eine Schädigungsabsicht erforderlich; es genügt vielmehr, wenn der Handelnde die Tatsachen kennt, aus denen die Sittenwidrigkeit folgt. Dem steht es gleich, wenn sich jemand bewusst oder grob fahrlässig der Kenntnis erheblicher Tatsachen verschließt. Dadurch können gegenseitige Verträge, auch wenn der Wuchertatbestand des § 138 Abs. 2 BGB nicht in allen Voraussetzungen erfüllt ist, als wucherähnliche Rechtsgeschäfte nach § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig sein, wenn zwischen Leistung und Gegenleistung objektiv ein auffälliges Missverhältnis besteht und außerdem mindestens ein weiterer Umstand hinzukommt, der den Vertrag bei Zusammenfassung der objektiven und subjektiven Mittel als sittenwidrig erscheinen lässt. Ist das Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besonders grob, so kann dies den Schluss auf die bewusste oder grob fahrlässige Ausnutzung eines den Vertragspartner in seiner Entscheidungsfreiheit beeinträchtigenden Umstands rechtfertigen. Diese von der höchstrichterlichen Rechtssprechung zur Frage der Sittenwidrigkeit gegenseitiger Verträge aufgestellter Grundsätze hat das Landgericht ohne Rechtsfehler auf den in Rede stehenden Künstlervertrag der Parteien angewandt. Den Vorwurf der Klägerin, das Landgericht habe sein Urteil über die Sittenwidrigkeit dieses Vertrages nicht fällen dürfen, ohne zuvor ein Sachverständigengutachten über Sitten und Gebräuche in der Tonträgerindustrie und über die in dieser Industrie üblichen Verträge einzuholen, vermag der Senat nicht zu teilen. Auch wenn Verträge mit ähnlichem Inhalt wie der Künstlervertrag der Parteien zwischen unbekannten Newcomern und Produzenten in der Branche nicht ungewöhnlich sein sollten, ist in jedem Einzelfall das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung nach objektiven Maßstäben zu prüfen und auf seine Vereinbarkeit mit den guten Sitten zu untersuchen. Dadurch, dass der Abschluss sittenwidriger Verträge in einer Branche üblich geworden sein mag, ändern sich die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufgestellten Bewertungskriterien zur Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB nicht. Dem Landgericht kann auch nicht ein...

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