Leitsatz (amtlich)

1. Verkauft der Geschädigte sein Fahrzeug erst mehr als sechs Monate nach dem Verkehrsunfall, so kann er seinen Schaden in der Regel abstrakt auf der Basis der fiktiven Reparaturkosten abrechnen, wenn die Reparaturkosten laut Schadensgutachten niedriger sind als der Wiederbeschaffungswert (Anschluss an BGH NJW 2006, 2179).

2. Das vom Geschädigten in solchen Fällen zu dokumentierende Integritätsinteresse ist auch dann gewahrt, wenn er das Fahrzeug nach dem Unfall nur unvollständig repariert und - bis zum späteren Verkauf - in nicht verkehrssicherem Zustand benutzt.

3. Liegen die Voraussetzungen für eine abstrakte Abrechnung auf Reparaturkostenbasis vor, spielt es keine Rolle, ob und inwieweit der Geschädigte bei einem späteren Verkauf seines Fahrzeugs einen möglicherweise erheblichen Gewinn erzielt.

 

Verfahrensgang

LG Waldshut-Tiengen (Urteil vom 09.10.2007; Aktenzeichen 2 O 10/07)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Waldshut-Tiengen vom 9.10.2007 - 2 O 10/07 - wie folgt abgeändert:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 7.940,30 EUR zu zahlen, nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 23.1.2007.

2. Die Beklagte wird weiter veruteilt, an den Kläger 1.500 EUR Schmerzensgeld nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 23.1.2007 zu zahlen.

3. Die Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 389,64 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.1.2007 zu zahlen.

4. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

Wegen der Kosten der ersten Instanz verbleibt es bei der Kostenentscheidung des LG.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger macht Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche geltend nach einem Verkehrsunfall vom 11.6.2006 auf der Landesstraße L 151 im Bereich der Gemeinde Todtmoos. Der Kläger war mit seinem Motorrad unterwegs und stürzte im Bereich einer Linkskurve. Die Beklagte ist die für das Kraftrad des Zeugen X. zuständige Haftpflichtversicherung. Der Kläger macht geltend, zu dem Sturz sei es gekommen, weil der Zeuge X. - hinter dem Kläger fahrend - zu Beginn der Kurve zu spät gebremst habe. Aufgrund dieses Fahrfehlers habe das Motorrad des Zeugen X. das klägerische Motorrad von hinten leicht angestoßen, wodurch der Kläger gestürzt sei.

Im Übrigen wird wegen der tatsächlichen Feststellungen auf das Urteil des LG verwiesen.

Das LG hat die Beklagte - überwiegend entsprechend den Anträgen des Klägers - verurteilt zur Zahlung von Schadensersatz i.H.v. 7.940,30 EUR, Schmerzensgeld i.H.v. 1.500 EUR und Rechtsanwaltskosten von 389,64 EUR. Zinsen hat das LG zuerkannt seit 24.8.2006 (hinsichtlich des Schadensersatzes und des Schmerzengeldes, bzw. seit dem 23.1.2007 hinsichtlich der Rechtsanwaltskosten). Nach Durchführung einer Beweisaufnahme hat das LG festgestellt, es sei nachgewiesen, dass es tatsächlich zu einer Kollision bei den Motorrädern gekommen sei, und dass der Kläger nicht etwa - ohne Einwirkung eines anderen Fahrzeugs - allein wegen überhöhter Geschwindigkeit gestürzt sei. Daraus ergebe sich die Haftung der Beklagten. Aus rechtlichen Gründen sei der Kläger berechtigt, die erforderlichen Reparaturkosten abstrakt, also auch ohne Nachweis der durchgeführten Reparatur, abzurechnen.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Sie beanstandet in erster Linie die Beweisaufnahme des LG zum Unfallablauf. Es gebe verschiedene Indizien dafür, dass der Kläger mit seinem Motorrad ohne Einwirkung eines anderes Fahrzeugs, allein aufgrund überhöhter eigener Geschwindigkeit, gestürzt sei. Hierfür spreche u.a., dass der Kläger und der Zeuge X. keine Polizei zur Unfallstelle gerufen hätten. Generell sei es beim Sturz eines Motorradfahrers in einer Kurve wesentlich wahrscheinlicher, dass der Sturz allein auf einen Fahrfehler des betreffenden Motorradfahrers beruhe. Gegen die Darstellung des Klägers spreche u.a., dass er die Stelle seines Sturzes nicht richtig angegeben habe. Der von der Beklagten vorgerichtlich beauftragte Zeuge Y. habe Kratzspuren von einem gestürzten Motorrad nicht an der vom Kläger angegebenen Stelle, sondern an einer anderen Stelle der betreffenden Kurve festgestellt. Schließlich wäre bei einer Kollision oder Berührung der beiden Motorräder - wie vom Kläger geschildert - eher ein Sturz des nachfolgenden Zeugen X., als ein Sturz des Klägers zu erwarten gewesen.

Die Beklagte wendet sich hilfsweise gegen die Höhe der vom LG berücksichtigten Reparaturkosten. Aus Rechtsgründen könne der Kläger nicht die fiktiven Reparaturkosten geltend machen, sondern nur den Wiederbeschaffungswert des Motorrades abzgl. des Restwerts. Bei einer solchen Berechnung sei im Übrigen zu berücksichtigen, dass dem Kläger - wie nachträgli...

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