Normenkette
BGB §§ 249-251; CMR § 18 Abs. 2; CMR Art. 15 f., Art. 16, 17 Abs. 4 Buchst. e, Art. 20 Abs. 1, Art. 29
Verfahrensgang
LG Mannheim (Urteil vom 23.12.2021; Aktenzeichen 23 O 5/21) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 23.12.2021, Az. 23 O 5/21, wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Die Streithelferin trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Mannheim ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Zwangsvollstreckung kann abgewendet werden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin macht aus eigenem und abgetretenem Recht Schadensersatzansprüche wegen einer als verloren gegangen behandelten Sendung geltend.
Die Versicherungsnehmerin der Klägerin hat im Dezember 2019 Schmuck und Uhren (AH I, K 1) an die A. EU SRL im Wert von 33.532 EUR verkauft. Mit dem Transport der Ware nach F. beauftragte diese die Beklagte zu fixen Kosten, die für die Teilstrecke in F. die Streithelferin einsetzte, die mit dem Transport als Unterfrachtführer die Spedition P. betraute. Die Beklagte hat die Waren vollständig und unbeschädigt übernommen. Der Fahrer von P. kam am 19.12.2019 an der Entladestelle an, der Lkw wurde aber nicht entladen. Auf Bitten der Empfängerin sollte in der Nacht vom 19.12.2019 eine zweite Anlieferung erfolgen. Die Empfängerin verweigerte dann die Annahme. Nach der Annahmeverweigerung verbrachte die Streithelferin die Ware auf Weisung der Beklagten in ihr Lager bei P. und wartete auf (weitere) Weisungen der Beklagten. Der Verbleib der Ware war lange Zeit unbekannt. Im Laufe des Rechtsstreits stellte sich heraus, dass sich die Ware immer noch im Lager der Streithelferin bei
P. befand. Ohne deren Einwilligung lieferte die Beklagte die Ware nach Schluss der mündlichen Verhandlung in erster Instanz an die Versicherungsnehmerin der Klägerin, die die Annahme verweigerte. Die Beklagte erklärte mit E-Mails vom 18.09.2020 und 04.12.2020, dass der Partner die Haftung für diese Sendung anerkannt hat (AH I, K 3, K 12).
Die Klägerin hat vorgetragen, es komme, abgesehen davon, dass dies bestritten werde, nicht darauf an, ob die Subunternehmerin der Beklagten zweimal versucht habe, die Waren bei der Empfängerin anzuliefern und diese die Waren wegen fehlerhafter Kennzeichnung nicht angenommen habe, da unstreitig weder Ablieferung noch Rücklieferung erfolgt seien. Ein Mitverschulden wegen unterlassener Wertdeklaration treffe ihre Versicherungsnehmerin nicht, da es sich bei der Ware nicht um "echten Schmuck" i.S.d. AGB der Beklagten (AH I, B 4) gehandelt habe. Im Übrigen übersteige die in den AGB der Beklagten genannte Haftungssumme den Wert der in Verlust geratenen Ware und es sei auch nicht davon auszugehen, dass der Verlust bei anderer Deklaration nicht eingetreten wäre.
Die Beklagte hat entgegnet, Art. 20 CMR komme nicht zur Anwendung, da es sich um eine Retoure gehandelt habe. Sie hafte schon deshalb nicht unbeschränkt, weil ein qualifiziertes Verschulden bei einem nur vermuteten Verlust nicht gegeben sein könne. Auch liege kein leichtfertiger Verlust der Sendung vor. Sie hafte nicht unbeschränkt, weil der Wert der übernommenen Ware die Haftungshöchstgrenzen nach der CMR bzw. die vereinbarten Grenzen um etwa das 25-fache übersteige. Zudem handele es sich um Verbotsgut nach Ziff. 2.2. der zwischen den Vertragsparteien vereinbarten AGB.
Die Streithelferin, die die Beklagte unterstützt, hat vorgetragen, dass sie die Ware nach der Annahmeverweigerung durch die Empfängerin auf Weisung der Beklagten in ihr Lager bei P. gebracht habe, damit es dort von der Beklagten abgeholt werde. Sie warte auf Weisungen; die Sendung stehe zur Abholung bereit.
Das Landgericht, auf dessen Urteil Bezug genommen wird, hat die Beklagte zur Zahlung von 33.532 EUR nebst Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten verurteilt und hierzu, soweit für die Berufung von Belang, ausgeführt, die Beklagte hafte nach Art. 20 CMR aufgrund der nach dieser Vorschrift bestehenden Verlustvermutung. Ungeachtet der Frage, ob der Sachvortrag der Streithelferin wahr sei, dass die Empfängerin zweimal die Annahme der Lieferung verweigert habe und das Gut in ein Lager der Streithelferin gebracht worden sei, wo man auf Weisungen gewartet habe, sei die Ware nicht an die Verfügungsberechtigte zurückgeliefert worden und auch keine Anfrage an die Versenderin erfolgt, was mit der Ware geschehen solle. Die kommentarlose Lieferung der Ware an die Versicherungsnehmerin der Klägerin am 26.11.2021 etwa zwei Jahre nach Erteilung des Transportauftrags genüge nicht, um eine Beendigung des Transports vor Ablauf der 60-Tage-Frist des Art. 20 CMR anzunehmen. Wenn ...