Leitsatz (amtlich)
1. Ein Kreditinstitut ist ggü. dem Darlehensnehmer, der die Finanzierung des Erwerbs einer Eigentumswohnung als Renditeobjekt beabsichtigt, ausnahmsweise vorvertraglich zur Aufklärung unter dem Gesichtspunkt des Wissensvorsprungs verpflichtet, wenn es vor den die Sittenwidrigkeit des Erwerbsvertrags begründenden Umständen bewusst die Augen verschließt.
2. Davon ist regelmäßig auszugehen, wenn das Kreditinstitut in einer internen Kalkulation den Verkehrswert des Objekts mit dem Kaufpreis gleichsetzt, obwohl es den Ertragswert mit weniger als der Hälfte des Kaufpreises ansetzt und dieser tatsächlich knapp doppelt so hoch wie der Verkehrswert ist. Bei der Ermittlung des Verkehrswerts kommt bei Renditeobjekten dem Ertragswert eine maßgebliche Bedeutung zu.
3. Bei der Frage der Anrechnung steuerrechtlicher Vorteile im Wege der Vorteilsausgleichung sind steuerrechtliche Besonderheiten zu beachten, die sich bei einer Verurteilung der Darlehensgeberin Zug um Zug gegen Überlassung des Objekts ergeben können. Bei der schadensrechtlichen Rückabwicklung des Darlehensvertrags muss sich der Darlehensnehmer bei einer Unwirksamkeit des Erwerbsvertrags grundsätzlich nicht die ausgezahlte Darlehensvaluta anrechnen lassen, wenn er über diese zu keinem Zeitpunkt die tatsächliche Verfügungsmacht erlangt hat.
Verfahrensgang
LG Mannheim (Urteil vom 28.08.2002; Aktenzeichen 9 O 9/01) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des LG Mannheim vom 28.8.2002 - 9 O 9/01 - im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 25.722,35 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.1.2001 zu zahlen Zug um Zug
a) gegen Auflassung des Wohnungseigentums bestehend aus einem Miteigentumsanteil von 7,41/1000 an dem Grundstück Gemarkung M., Flst.-Nr. Gebäude und Freifläche Bl. BVNR., N., verbunden mit dem Sondereigentum an der Wohnungseinheit im Aufteilungsplan mit Nr. 91 bezeichnet, Grundbuch M.
b) sowie gegen Abtretung der Ansprüche gegen die Fa. M GmbH und gegen die H. GmbH im Zusammenhang mit dem Abschluss des notariellen Geschäftsbesorgungsvertrags vom 28./29.12.1994, dem notariellen Kaufvertrag vom 29.12.1994 über das oben genannte Wohnungseigentum sowie dessen Erwerb.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte keine Ansprüche aus den Darlehensverträgen Nr. und Nr. v. 29.12.1994 und Nr. v. 17.9.1999 gegen die Kläger hat.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen.
III. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Kläger können die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
V. Die Revision wird zugelassen.
VI. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gem. § 25 Abs. 2 GKG auf 126.383,43 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Die klagenden Eheleute verlangen von der beklagten S. die Rückabwicklung eines Realkreditverhältnisses und die Feststellung, dass der Beklagten keine weiteren Ansprüche aus den zugrundeliegenden Darlehensverträgen zustehen.
Die Kläger erwarben Ende 1994 von der Bauträgerfirma M. GmbH für 152.338 DM ein kleines Appartement in der Eigentumswohnanlage N. in M. Bei der Anlage handelt es sich um eine größere Wohnanlage in Form eines Appartementhauses mit Unterteilung in 122 Miteigentumsanteilen als Sondereigentum nach dem WEG. In dem Kaufpreis sind Vertriebskosten (Innenprovisionen) von 30 % enthalten. Um den Erwerb ohne Einsatz von Eigenkapital zu finanzieren, nahmen die Kläger bei der Beklagten zwei Darlehen über 152.000 DM und 38.000 DM mit einer Effektivverzinsung von 9,22 % bzw. 10,13 % auf, die später in einem Vertrag zusammengefasst wurden. Diese Verzinsung liegt über der Obergrenze der Streubreite der von der Deutschen Bundesbank in ihren Monatsberichten für Hypothekendarlehen auf Wohngrundstücken bei fünfjähriger Laufzeit veröffentlichten Durchschnittssätze. Zur Sicherung erhielt die Beklagte eine Grundschuld der Kläger über 190.000 DM. Das von einer Fa. H. GmbH vertriebene Objekt wurde von der Beklagten in vollem Umfang nebst den sog. weichen Kosten finanziert.
Den Abschluss aller Verträge einschließlich der Darlehensverträge sowie die gesamte Vertragsabwicklung hatten die Kläger mittels notariellem Geschäftsbesorgungsvertrag vom 28./29.12.1994 einer Treuhandgesellschaft - der Fa. H. GmbH - per Vollmacht übertragen, welche die Fa. H. GmbH zur Abgabe aller irgendwie zweckdienlichen Erklärungen ermächtigte. Die H. GmbH schloss am 29.12.1994 im Namen der Kläger den notariellen Wohnungskaufvertrag mit der M. GmbH. Die beiden Darlehensverträge sind am 29.12.1994 zunächst von der H. GmbH in Vertretung der Kläger und am 23.1.1995 von diesen selbst sowie anschließend von der Beklagten unterzeichnet worden. Die Kläger haben auf die Darle...