Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung des Staates bei "feindlichem Grün" einer Ampelanlage; Enteignungsgleicher Eingriff
Leitsatz (amtlich)
1. Wird ein Verkehrsunfall durch einen Fehler einer Ampelanlage verursacht ("feindliches Grün"), haftet der für die Straßenverkehrsbehörde verantwortliche Rechtsträger nach den Grundsätzen des enteignungsgleichen Eingriffs.
2. Der Geschädigte muss den Fehler der Ampelanlage zum Unfallzeitpunkt beweisen. Die Anforderungen an die Beweisführung hängen vom Einzelfall ab. Unter Umständen können Zeugenangaben ausreichen, auch wenn technische Fragen des aufgetretenen Fehlers unklar bleiben.
3. Bei einem enteignungsgleichen Eingriff schuldet der Staat keinen vollen Schadensersatz i.S.v. § 249 BGB, sondern nur eine "angemessene Entschädigung". Dazu gehören bei einem Verkehrsunfall der Selbstbehalt in der Kaskoversicherung, der Rückstufungsschaden in der Kaskoversicherung und vorgerichtliche Anwaltskosten. Hingegen sind mittelbare Folgekosten, wie die Anwaltsgebühren für die Verteidigung in einem Bußgeldverfahren nicht erstattungsfähig.
Normenkette
BGB § 249; StVO § 44 Abs. 1 S. 1; LVG Baden-Württemberg § 15 Abs. 1 Ziff. 1, § 18 Abs. 1; VVG § 86 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
LG Freiburg i. Br. (Urteil vom 05.01.2012; Aktenzeichen 2 O 453/09) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Streithelferin wird das Urteil des LG Freiburg vom 5.1.2012 - 2 O 453/09 - im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:
1. Das beklagte Land wird verurteilt, an die Klägerin 300 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 7.1.2010 zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass das beklagte Land verpflichtet ist, der Klägerin den bei ihrer Kraftfahrzeugversicherung entstandenen Höherstufungsschaden auf Grund des Verkehrsunfallgeschehens vom 26.5.2009 in E. zu ersetzen.
3. Das beklagte Land wird verurteilt, an die Klägerin 120,67 EUR vorgerichtliche Anwaltskosten zu zahlen nebst Zinsen hieraus i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 7.1.2010.
4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen.
III. Von den Kosten des Verfahrens vor dem LG tragen die Klägerin 1/5 und das beklagte Land 4/5.
IV. Von den außergerichtlichen Kosten des beklagten Landes im Berufungsverfahren trägt die Klägerin 1/5 und das beklagte Land 4/5.
Die übrigen Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 1/5 und die Streithelferin zu 4/5.
V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
VI. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin macht Schadensersatzansprüche gegen das beklagte Land geltend. Dieses sei für den Schaden aus einem Verkehrsunfall verantwortlich, der durch "feindliches Grün" an einer Ampelanlage verursacht worden sei.
Am 26.5.2009 kam es gegen 22:00 Uhr auf einer Kreuzung in E. zu einem Verkehrsunfall, an welchem die Klägerin und die Zeugin K. jeweils mit ihren Fahrzeugen beteiligt waren. Die Klägerin befuhr mit ihrem Pkw Skoda die F. Straße in Richtung Innenstadt, während die Zeugin K. von rechts auf der K.-straße auf die Kreuzung mit der F. Straße zufuhr. Im Bereich der Kreuzung befindet sich eine Ampelanlage. Die Verkehrsregelung durch Lichtzeichen der Ampeln wird normalerweise abends um 22:00 Uhr ausgeschaltet. Nach dem Ausschalten sind die Ampeln auf der - dann bevorrechtigten - K.-straße dunkel, während die Ampeln auf der untergeordneten F. Straße dann normalerweise auf gelbes Blinklicht umgeschaltet haben. Im Bereich der Kreuzung kam es zur Kollision der beiden Fahrzeuge, wodurch am Pkw der Klägerin Sachschaden entstand.
Die Klägerin hat vorgetragen: Sie habe zunächst mit ihrem Fahrzeug vor der Kreuzung angehalten, da die Ampel für sie "rot" gezeigt habe. Die Ampel sei dann auf "grün" umgesprungen, so dass sie mit ihrem Fahrzeug in die Kreuzung eingefahren sei. Ein gelbes Blinklicht, welches nach dem Umschalten der Ampelanlage gegen 22:00 Uhr zu erwarten gewesen wäre, habe es beim Einfahren der Klägerin in die Kreuzung nicht gegeben. Die Zeugin K. sei gleichzeitig in die Kreuzung eingefahren, weil aus ihrer Richtung die Ampel bereits ausgeschaltet (dunkel) gewesen sei.
Die Klägerin hat vor dem LG von dem beklagten Land Erstattung der ihr entstandenen Unkosten verlangt, nämlich 300 EUR Selbstbehalt ihrer Kaskoversicherung, 120,67 EUR vorgerichtliche Anwaltskosten und 150 EUR Selbstbehalt in ihrer Rechtschutzversicherung. Die Rechtschutzversicherung habe sie in Anspruch genommen, um sich in einem gegen sie eingeleiteten Bußgeldverfahren zu verteidigen. Außerdem hat die Klägerin die Feststellung begehrt, dass das beklagte Land verpflichtet ist, ihr den Schaden zu ersetzen, der durch die Höherstufung in der Kaskoversicherung entstanden ist und noch entstehen wird.
Das beklagte Land ist der Klage entgegengetreten und hat gleichzeitig der Streithelferin den Streit verkündet. Diese habe sich vertraglich zur Wartung und Unterhaltung der Ampelanlage verpflichtet. Für einen eventuellen Fehler der Ampelanlage sei die Streithelferin ve...