Leitsatz (amtlich)
1. Zur Frage, ob eine Justizbehörde, die durch Pressemitteilung über ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der zweckwidrigen Verwendung "erheblicher Summen" von Spendengeldern berichtet hat, die Amtspflicht trifft, später unaufgefordert eine weitere Pressemitteilung herauszugeben, in welcher die der inzwischen erhobenen Anklage zugrunde gelegte Schadenshöhe mitgeteilt wird.
2. In der Ablehnung des an eine Justizbehörde gerichteten Antrags auf Herausgabe einer berichtigenden Pressemitteilung liegt ein Justizverwaltungsakt i.S.v. § 23 EGGVG.
3. Der Antrag auf Verpflichtung zur Richtigstellung einer Pressemitteilung stellt ein Rechtsmittel i.S.v. § 839 Abs. 3 BGB dar.
4. Im Zusammenhang mit einem Hauptsacheverfahren nach §§ 23 ff. EGGVG kann eine auf die Herausgabe einer berichtigenden Pressemitteilung gerichtete einstweilige Anordnung ergehen.
Verfahrensgang
LG Konstanz (Urteil vom 20.07.2006; Aktenzeichen 4 O 177/04 F) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des LG Konstanz vom 20.7.2006 - 4 O 177/04 F - wird als unbegründet zurückgewiesen.
2. Die Klägerin trägt auch die Kosten der Berufung.
3. Das Urteil vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann jedoch die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht das beklagte Land vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
5. Der Streitwert wird für die Berufungsinstanz auf 25.000 EUR (Berufungsantrag Nr. 2: 20.000 EUR; Berufungsantrag Nr. 3: 5.000 EUR) festgesetzt.
Tatbestand
I.1. Die Staatsanwaltschaft K. ermittelte u.a. gegen die Klägerin wegen des Verdachts, in erheblichem Umfang Spendengelder zweckentfremdet verwendet zu haben. Hierüber wurde die Presse bundesweit durch eine gemeinsame Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft K. und der Landespolizeidirektion T. vom 27.3.1998 informiert, was zu entsprechenden Veröffentlichungen in einer größeren Anzahl von Tageszeitungen geführt hat.
Die Pressemitteilung hatte folgenden Wortlaut:
" Verdacht der Untreue
Durchsuchungsaktion bei Kinderhilfsmission Überlingen/Bodenseekreis. Im Rahmen der Ermittlungen gegen Verantwortliche des "Children Mission Fund (CMF) internationale Kinderhilfsmission e.V." und der Fa. "Institut für Wissenschaftlich-Erzieherische Zusammenarbeit (IWE)" in Ü. haben Staatsanwaltschaft und Polizei insgesamt 13 Objekte - Wohnungen und Büroräume in Ü., G., D. und B. - durchsucht. Diese Maßnahmen waren Bestandteil eines Ermittlungsverfahrens gegen drei Vorstandsmitglieder des CMF und die Inhaberin der Fa. IWE. Ihnen wird vorgeworfen, erhebliche Summen der Gelder, die von privaten Spendern für die Unterstützung von bedürftigen Kindern in Brasilien und Ecuador gespendet worden waren, für nicht satzungsgemäße Zwecke verwendet zu haben. Bei dieser Aktion wurden große Mengen schriftlicher Unterlagen und Datenträger sichergestellt.
In erster Linie richten sich die Ermittlungen gegen die 40jährige ehemalige Vorsitzende des CMF, aber auch gegen deren 30jährigen Bruder - heute Geschäftsführer - sowie den Kassier und die Schriftführerin des Vereins, die alle in Ü. wohnhaft sind. Der CMF wurde im Jahre 1991 gegründet und versuchte in den folgenden Jahren, vor allem mit Hilfe des sog. Telefonmarketing, Spender für Patenschaftsprogramme in Südamerika zu gewinnen. Zeitweise gelang es so, bundesweit bis zu 10.000 Spender zu binden, die zunächst 50 DM monatlich, später 100 DM, für die Unterstützung bedürftiger Kinder in Brasilien und Ecuador an den Verein überwiesen. Bis 1996 entwickelte sich dieses Spendenaufkommen kontinuierlich, so dass die Ermittlungsbehörden von Spenden in einer Höhe von rund 20 Millionen DM ausgehen. Nach dem Stand der derzeitigen Ermittlungen betreute der CMF direkt keine eigenen Projekte. Zahlungen erfolgten offensichtlich vor allem an zwei in Südamerika ansässige Hilfsorganisationen, die den Erhalt der Gelder wiederum mittels selbst erstellter Belege bestätigt haben.
Nach einer Prüfung der Finanzbehörden wurde dem Verein 1996 die Gemeinnützigkeit aberkannt. Die zunehmend in die öffentliche Kritik geratene Vereinsvorsitzende gab deshalb ihr Amt ab und ihr 30jähriger Bruder wurde als Geschäftsführer eingesetzt.
Während in der Satzung des Vereins festgelegt ist, dass die Verantwortlichen ehrenamtlich tätig werden und die Kosten der Verwaltung möglichst gering gehalten werden sollen, besteht der Verdacht, dass gerade über die alleine aus wirtschaftlichen Interessen tätige Firma IWE eine lukrative Einnahmequelle auf Kosten des Vereins und letztlich aller Spender geschaffen wurde. Hierfür sollen Leistungen abgerechnet worden sein, die gar nicht oder nur teilweise erbracht wurden. Bis zum Ablauf des Jahres 1996 sollen so über die Fa. IWE sog. Verwaltungskosten von mehr als 5 Millionen DM entstanden sein. So sollen die ehemalige Vereinsvorsitzende für vorwiegend private Feste mehrere zehntausend DM abgerechnet und ein Telefonver...